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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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erkannte sie Uther Pendragon. Igraine wollte sich umdrehen und leise davongehen, denn sie wußte, er würde nicht wollen, daß sie seinen Kummer sah. Aber Uther hatte ihre leichten Schritte gehört und hob den Kopf.
    »Ach, Ihr seid es, Herzogin von Cornwall?« Sein tränenüberströmtes Gesicht zuckte. »Jetzt könnt Ihr Eurem tapferen Gorlois berichten, daß der Feldherr von Britannien sich versteckt hat, um wie eine Frau zu heulen.«
    Igraine trat schnell näher; sein zorniges, abweisendes Gesicht bekümmerte sie. »Glaubt Ihr nicht, Gorlois trauert ebenfalls, edler Uther? Wie kalt und herzlos müßte ein Mann sein, der nicht um den König weint, den er sein ganzes Leben lang verehrt hat! Wäre ich ein Mann, ich würde nur ungern einem Führer in den Kampf folgen, der nicht um die Toten, die er geliebt hat, um die gefallenen Gefährten, ja selbst um die tapferen Feinde weinen kann.«
    Uther holte tief Luft und fuhr sich mit dem bestickten Ärmel seiner Tunika über das Gesicht. Er antwortete: »Das ist wahr. Als junger Mann erschlug ich Horsa, den Häuptling der Sachsen, auf dem Schlachtfeld. Er hatte mich in vielen Kämpfen herausgefordert und war mir immer entkommen. Ich beweinte ihn, denn er war ein tapferer Mann gewesen. Und obwohl er ein Sachse war, beklagte ich, daß wir Feinde sein mußten und nicht Bruder und Freund sein konnten. Aber nach all den Jahren, die seither vergangen sind, bin ich gewiß schon zu alt, um über Dinge zu weinen, die sich nicht ändern lassen. Doch als ich den Priester dort drinnen vom Gericht und der ewigen Verdammnis vor dem Thron Gottes sprechen hörte, dachte ich daran, wie gut und wie fromm Ambrosius gewesen war. Er liebte und fürchtete Gott, er strebte immer danach, gut und ehrenvoll zu handeln… manchmal ist mir dieser Gott unerträglich und ich wünsche, ich könnte ohne die Androhung der Verdammnis den weisen Druiden glauben; sie sprechen nicht vom Gericht, sondern nur von dem, was der Mensch sich im Laufe seines Lebens selbst aufbürdet. Wenn es wahr ist, was der heilige Bischof sagt, schmachtet Ambrosius jetzt in den Feuern der Hölle und wird erst am Ende der Welt erlöst werden.
    Ich weiß wenig über den Himmel, aber dort wünsche ich mir meinen König.«
    Igraine streckte ihm die Hand entgegen und sagte: »Ich glaube nicht, daß die Christenpriester mehr über das wissen, was nach dem Tode kommt, als irgendein anderer Sterblicher. Nur die Götter wissen es. Auf der Heiligen Insel, auf der ich groß wurde, lehrt man, daß der Tod immer das Tor zu einem neuen Leben ist. Er führt zu größerer Weisheit. Obwohl ich König Ambrosius kaum kannte, stelle ich mir lieber vor, daß er zu Füßen seines Gottes sitzt und erfährt, was Weisheit wirklich ist. Welcher weise Gott könnte einen Mann wegen seiner Unwissenheit in die Hölle schicken, anstatt ihn zu lehren, im nächsten Leben besser zu handeln?«
    Sie spürte Uthers Händedruck, und er sagte in die Dunkelheit: »Gewiß, so ist es! Was verheißt ihr Apostel?
… Jetzt sehe ich nur undeutlich wie durch einen Kristall, aber dann werde ich von Angesicht zu Angesicht schauen …
Vielleicht wissen wir nicht, und auch die Priester nicht, was nach dem Tode sein wird. Warum sollten wir glauben, daß Gott weniger Gnade übt als die Menschen, wenn er allwissend ist? Sie sagen, Christus kam auf die Welt, um uns Gottes Liebe zu offenbaren und nicht seinen Zorn.«
    Sie saßen eine Weile schweigend auf dem Baum. Dann sagte Uther: »Wo habt Ihr so weise Dinge gelernt, Igraine? In unserer Kirche gibt es heilige Frauen, aber sie sind nicht verheiratet und leben auch nicht unter uns Sündern.«
    »Ich wurde auf der Insel Avalon geboren. Meine Mutter war dort im Großen Tempel Priesterin.«
    »Avalon«, sagte er, »liegt doch im Sommersee. Ihr habt es heute morgen gehört, wir sollen dorthin ziehen. Der Merlin hat versprochen, mich zu König Leodegranz zu führen und mich an seinem Hofe einzuführen. Aber wenn Lot von Orkney sich durchsetzt, werden Uriens und ich wie geprügelte Hunde nach Wales zurückkehren müssen, oder wir werden in seinem Gefolge kämpfen und ihm die Treue schwören. Das aber werde ich erst dann tun, wenn sich die Sonne entschließt, im Westen, hinter der Küste Irlands, aufzugehen.«
    »Gorlois meint, Ihr werdet mit Sicherheit der nächste Großkönig sein«, erwiderte Igraine. Mit Staunen wurde ihr plötzlich bewußt, daß sie hier auf dem Ast eines Apfelbaumes neben dem künftigen Großkönig von Britannien saß

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