Die Nebel von Avalon
Haare wie ein Sachse trug, wie ein Barbar die Messe störte und den König beim Frühstück! Ebensogut konnte sie sich einen der Männer aus Gorlois' Gefolge nehmen; sie waren wenigstens jung, hatten reine Haut und sahen gut aus. Aber als tugendhafte Frau hatte sie keinerlei Interesse daran, außer ihrem angetrauten Gemahl überhaupt einen Mann in ihr Bett zu nehmen.
Und wiederum, wenn sie es tat, würde sie sich nicht für Uther entscheiden. Vermutlich wäre er noch schlimmer als Gorlois, dieser große, plumpe Kerl, trotz seiner grauen Augen, die so grau waren wie das Meer, und seiner starken, glatten Hände… Igraine schimpfte leise vor sich hin, holte den Spinnrocken aus dem Gepäck und begann zu arbeiten. Wie kam sie dazu, mit offenen Augen von Uther zu träumen, als wolle sie wirklich Vivianes Wunsch erfüllen? Und Uther – würde er wirklich Großkönig werden? Sie hatte wohl bemerkt, wie er sie ansah. Aber Gorlois hatte gesagt, er sei ein Wüstling; vielleicht sah er jede Frau so an. Wenn sie sich schon Tagträumen überließ, konnte es wenigstens etwas Vernünftiges sein… etwa: Wie mochte es wohl Morgaine ergehen ohne ihre Mutter? Hatte Gwen auch ein Auge auf Morgause, damit sie den Wachen nicht den Kopf verdrehte? Morgause war leichtsinnig genug, um ihre Jungfräulichkeit an einen hübschen Mann ohne Ehre und Vermögen zu verlieren.
Igraine hoffte, Vater Columba würde ihrer Schwester streng ins Gewissen reden.
Meine Mutter wählte die Männer, die Väter ihrer Kinder werden sollten, selbst; und sie war eine große Priesterin der Heiligen Insel. Viviane hat dasselbe getan.
Igraine ließ die Spindel in den Schoß sinken. Sie grübelte und dachte an Vivianes Prophezeiung, daß ihr und Uthers Kind der große König sein sollte, der das Land einen und den kriegerischen Völkern den Frieden bringen konnte. Was sie heute morgen an der Tafel des Königs gehört hatte, überzeugte sie davon, daß ein solcher König wirklich vonnöten war. Voller Verzweiflung griff Igraine wieder nach der Spindel.
Jetzt
brauchten sie einen solchen König, nicht erst dann, wenn ein Kind erwachsen sein würde, das noch nicht einmal gezeugt war. Hartnäckig glaubte der Merlin an die alten Legenden über Könige… was hatte einer der Könige… war es Ectorius gewesen… über Magnus den Großen gesagt, den großen Feldherrn, der Britannien im Stich ließ, um sich die Kaiserkrone aufzusetzen? Welch ein Unsinn zu glauben, Uthers Sohn könne der zurückgekehrte Magnus sein!
Gegen Abend begann eine Glocke zu läuten. Kurze Zeit später kam Gorlois traurig und mutlos zurück. »Vor wenigen Minuten ist Ambrosius gestorben«, sagte er, »die Glocke verkündet sein Scheiden.«
Igraine sah den Kummer in seinem Gesicht und versuchte ihn zu trösten. »Ambrosius war ein alter Mann«, sagte sie zart, »und wurde sehr geliebt. Ich bin ihm heute zum ersten Mal begegnet, doch kann ich verstehen, daß er ein Mann war, den alle ehrten und dem jeder freudig diente.«
Gorlois seufzte tief. »Ja, es ist wahr. Und wir haben keinen, der sein würdiger Nachfolger wäre. Er ist gegangen und hat uns führerlos zurückgelassen. Ich habe diesen Mann geliebt, Igraine, und ich habe mit Schmerzen gesehen, wie er litt. Wenn es einen Erben gäbe, der diesen Namen verdiente, ich wäre glücklich, daß er Ruhe gefunden hat. Aber jetzt – was soll nun aus Britannien werden?«
Später bat er Igraine, sein bestes Gewand bereitzulegen. »Bei Sonnenuntergang wird die Totenmesse für Ambrosius gelesen, und ich muß daran teilnehmen. Auch du, Igraine, solltest mitkommen. Kannst du dich allein ankleiden, oder soll ich unseren Gastgeber bitten, dir eine Magd zu schicken?«
»Danke, ich kann mich allein ankleiden.« Und Igraine machte sich daran, ein anderes Gewand anzulegen. Es war aus feiner Wolle, an Saum und Ärmeln mit Stickereien besetzt. Ins Haar flocht sie ein seidenes Band. Sie aß ein wenig Brot und Käse. Gorlois wollte nichts essen. Er erklärte, da sein König vor Gottes Thron trete, wo seine Seele gerichtet werde, wolle er fasten und beten, bis Ambrosius begraben sei.
Igraine hatte auf der Heiligen Insel erfahren, daß der Tod nichts anderes war als die Pforte zu einer neuen Geburt. Deshalb konnte sie ihren Gemahl nicht verstehen. Wieso hatte ein Christ solche Angst und zitterte vor seinem ewigen Frieden? Sie erinnerte sich an einige der düsteren Psalmen, die Vater Columba gesungen hatte. Ja, ihr Gott schien ein Gott der Angst und der Strafen zu
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