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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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weinte, Gorlois! Er weinte um den König, der wie ein Vater zu ihm gewesen war. Und wenn man seine Achtung für einen Toten dadurch beweist, daß man sich das Gezeter eines Priesters anhört, dann werde ich diese Achtung nie teilen! Ich beneide Uther darum, daß er ein Mann ist und kommen und gehen konnte, wie es ihm gefiel. Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich mir dieses erbärmliche Gerede in der Kirche sicher nicht lange angehört. Aber ich konnte nicht gehen, denn mich fesselte das Wort eines Mannes an meinen Platz, der mehr von Priestern und Psalmen hält als von dem Toten!« Sie hatten das Haus erreicht.
    Gorlois sah Igraine dunkelrot vor Zorn an und stieß sie wütend durch die Tür: »Ich verbiete Euch, in diesem Ton mit mir zu sprechen, sonst werde ich Euch wirklich prügeln!«
    Igraine spürte, daß sie wie eine wütende Katze die Zähne fletschte. Mit scharfem Atem fauchte sie ihn an: »Wagt es nur, Gorlois! Ich werde Euch lehren, daß die Tochter der Heiligen Insel weder die Sklavin noch die Dienerin eines Mannes ist!«
    Gorlois öffnete den Mund zu einer wütenden Antwort, und Igraine glaubte einen Augenblick, er würde sie noch einmal schlagen. Doch der Herzog unterdrückte mühsam seinen Zorn und wendete sich von ihr ab. »Es ziemt sich wirklich nicht, mich hier zu streiten, solange mein König und Herr noch nicht begraben ist. Wenn Ihr Euch vor dem Alleinsein nicht fürchtet, könnt Ihr heute nacht hier schlafen, sonst lasse ich Euch in das Haus des Ectorius geleiten, und Ihr könnt bei Flavilla übernachten. Meine Männer und ich werden bis Sonnenaufgang fasten und beten. Denn Ambrosius wird morgen zur letzten Ruhe gebettet.«
    Igraine sah ihn überrascht und mit wachsender Verachtung an. Gorlois würde also aus Furcht vor dem Schatten eines Toten – obwohl er das in hehre Worte kleidete und von Achtung sprach – weder essen noch trinken und auch nicht mit seiner Frau schlafen, bis sein König begraben war. Die Christen behaupteten, über den Aberglauben der Druiden erhaben zu sein. Aber sie hatten ihren eigenen. Igraine fand ihn unbegreiflich erbärmlich, denn er hatte nichts mehr mit der Natur zu tun. Plötzlich war sie froh, daß sie in dieser Nacht nicht bei Gorlois schlafen mußte. »Nein«, erwiderte sie, »ich fürchte mich nicht davor, allein zu bleiben.«

4
    Ambrosius wurde bei Sonnenaufgang zu Grabe getragen. Igraine stand neben dem noch immer zornigen und schweigsamen Gorlois und verfolgte die Zeremonie mit seltsamer Teilnahmslosigkeit. Vier lange Jahre hatte sie darum gekämpft, sich mit diesem Glauben anzufreunden. Jetzt wußte Igraine, sie würde diesem Gott höflichen Respekt entgegenbringen, um Gorlois nicht zu verärgern – man hatte ihr schon als Kind gesagt, daß alle Götter ein Gott sind. Man durfte nie den Namen verspotten, unter dem jemand Gott anbetete. Aber sie würde nicht mehr versuchen, so fromm zu sein wie er. Eine Frau sollte den Göttern ihres Gemahls dienen, und sie würde auf schickliche und angemessene Weise vorgeben, das zu tun. Sie würde aber nie mehr in den Irrtum verfallen zu fürchten, daß dieser allwissende, rachsüchtige Gott Macht über sie besaß. Igraine sah auch Uther. Er wirkte verstört, erschöpft und hatte rotgeränderte Augen, als habe auch er schlaflos gewacht und gefastet. Sein Anblick rührte sie. Armer Mann, niemand sorgte sich um ihn, wenn er hungerte, oder sagte ihm, welcher Unsinn das war! Wie konnten die Christen glauben, die Toten weilten bei den Lebenden, um zu sehen, was sie taten. Die Toten hatten nichts dagegen, daß die Lebenden aßen und tranken! Igraine war überzeugt, daß König Uriens kein solcher Narr war. Er wirkte satt und ausgeruht. Plötzlich wünschte sie, so alt und weise zu sein, wie Uriens Gemahlin. Sie konnte mit ihm reden und ihm sagen, was er in solchen Fällen tun sollte. Ihr Gemahl war nicht doppelt so alt wie sie und konnte sie wie ein Kind behandeln.
    Nach dem Begräbnis brachte Gorlois Igraine in das Haus zurück. Er aß und trank mit ihr. Aber er war noch immer schlecht gelaunt und schweigsam und verabschiedete sich sofort nach der Mahlzeit. »Ich muß an der Ratssitzung teilnehmen«, erklärte er, »Lot und Uther werden sich in den Haaren liegen. Und irgendwie muß ich ihnen helfen, sich daran zu erinnern, was König Ambrosius wünschte. Es tut mir leid, Euch allein zurückzulassen. Aber ich werde Euch einen Mann senden, der Euch begleitet, wenn Ihr durch die Stadt gehen wollt.« Er gab ihr eine Münze und

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