Die Nebel von Avalon
selbst, Morgaine. Ich habe versprochen, zurückzukehren, sobald ich kann.« Plötzlich wurde er sehr ernst. »Gareth erzählte mir, daß Mordred Artus nicht von der Seite weicht. Als ich mich weigerte, mit ihm an den Hof zurückzukehren, beschwor er mich, Galahad zu suchen und ihn aufzufordern, sofort nach Camelot zurückzukehren. Es sei das beste, das ich für Artus tun könne,
denn Gareth mißtraut Mordred und seinem Einfluß auf den König… es tut mir leid, Morgaine, schlecht von deinem Sohn zu sprechen.«
Morgaine entgegnete: »Er sagte mir einmal, Galahad würde nicht lange genug leben, um zu herrschen… aber gelobte, und ich glaube nicht, daß er wagen würde, diesen Schwur zu brechen, daß er mit Galahads Tod nichts zu tun haben wird.«
Lancelot sah sie besorgt an. »Ich habe viele schlimme Abenteuer erlebt, und sie können jedem auf dieser verfluchten Suche begegnen. Gott gebe, ich finde Galahad, ehe er ihnen zum Opfer fällt!« Sie schwiegen beide, und Morgaine dachte:
Ich wußte
es …
deshalb hat Mordred sich geweigert, sich auf die Suche zu machen.
Sie erkannte plötzlich, daß sie nicht mehr daran glaubte, ihr Sohn Gwydion… Mordred… würde jemals als von Avalon eingesetzter König herrschen. Sie überlegte, wann sie begonnen hatte, sich damit abzufinden. Vielleicht damals, als Accolon starb und die Göttin ihren Auserwählten nicht beschützte.
Galahad wird König sein, und er wird ein christlicher König sein. Und das kann sehr wohl bedeuten, daß er Gwydion töten wird. Was geschieht mit dem Hirschkönig, wenn der junge Hirsch herangewachsen ist?
Aber wenn Avalons Zeit vorüber war, würde Galahad den Thron vielleicht friedlich besteigen, ohne seinen Rivalen töten zu müssen… Lancelot schob den Rest eines Honigbrots beiseite und sah an Morgaine vorbei in eine Ecke des Raums.
»Ist das Vivianes Harfe?«
»Ja«, erwiderte sie. »Ich habe meine in Tintagel zurückgelassen. Aber von Rechts wegen gehört sie eigentlich dir. Wenn du sie möchtest…«
»Ich spiele nicht mehr Harfe und bringe auch nicht mehr den Willen dazu auf, Morgaine. Sie gehört dir… wie alles andere, was meine Mutter besaß.«
Morgaine erinnerte sich an Worte, die ihr damals ins Herz geschnitten hatten – auch das lag ein ganzes Leben zurück! -:
Ich wünschte, du wärst meiner Mutter nicht so ähnlich, Morgaine!
Jetzt lag kein
Schmerz mehr in dieser Erinnerung, sondern etwas Tröstliches. Viviane war nicht völlig aus dieser Welt entschwunden, wenn durch sie etwas weiterlebte. Er sagte mühsam: »Es sind nur wenige… so wenige, die sich an die alten Tage in Caerleon erinnern… selbst an die Zeit in Camelot…«
»Artus ist noch da«, erwiderte sie, »da sind Gawain, Gareth, Cai und viele andere, mein Lieber. Sicher fragen sie sich jeden Tag von neuem: Wo ist
Lancelot?
Weshalb bist du hier und nicht bei ihnen?«
»Ich sagte dir schon, mein Verstand spielt mir Streiche… mir war kaum bewußt, daß ich hierherkam«, erwiderte Lancelot. »Aber da ich nun einmal hier bin, kann ich dich fragen… ich habe gehört, Nimue ist bei dir.«
Morgaine erinnerte sich, es ihm einmal gesagt zu haben, als er glaubte, seine Tochter sei in dem Kloster, in dem auch Gwenhwyfar früher gewesen war. »Was ist aus ihr geworden… geht es ihr gut bei den Priesterinnen?«
»Ich bedaure, daß ich anscheinend nur schlechte Nachrichten für dich habe«, antwortete Morgaine. »Sie starb vor einem Jahr.«
Mehr sagte sie nicht. Lancelot wußte nichts vom Verrat des Merlin, auch nichts von Nimues Aufenthalt an Artus' Hof. Er würde nur leiden, wenn er alles erfuhr. Lancelot stellte keine Fragen, sondern seufzte nur tief und starrte auf den Fußboden. Schließlich sagte er, ohne aufzublicken: »Und die Jüngste… die kleine Gwenhwyfar… ist verheiratet und lebt in der Bretagne. Galahad ist auf der Suche nach dem Gral verschollen. Ich habe keines meiner Kinder gekannt. Ich versuchte nie, sie kennenzulernen… mir schien, sie seien alles, was ich Elaine geben konnte. Deshalb überließ ich sie ihr, selbst den Jungen. Ich ritt eine Zeitlang zusammen mit Galahad, nachdem wir Camelot an jenem Ostertag verließen. In den zehn Tagen und Nächten, die wir zusammen verbrachten, erfuhr ich mehr über ihn als in den sechzehn Jahren zuvor. Ich könnte mir vorstellen, daß er ein guter König wird, wenn er noch am Leben ist…«
Er sah Morgaine beinahe flehend an. Sie wußte, er sehnte sich danach, von ihr eine Bestätigung zu hören, aber sie
Weitere Kostenlose Bücher