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Die neuen Leiden des jungen W

Die neuen Leiden des jungen W

Titel: Die neuen Leiden des jungen W Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urlich Plenzdorf
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ganze Apparat bestand aus lauter Briefen, von diesem unmöglichen Werther an seinen Kumpel zu Hause. Das sollte wahrscheinlich ungeheuer originell wirken oder unausgedacht. Der das geschrieben hat, soll sich mal meinen Salinger durchlesen. Das ist echt, Leute!
    Ich kann euch nur raten, ihn zu lesen, wenn ihr ihn irgendwo aufreißen könnt. Reißt euch das Ding unter den Nagel, wenn ihr es bei irgendwem stehen seht, und gebt es nicht wieder her! Leiht es euch aus und gebt es nicht wieder zurück. Ihr sagt einfach, ihr habt es verloren. Das kostet fünf Mark, na und? Laßt euch nicht etwa vom Titel täuschen. Ich gebe zu, er popt nicht besonders, vielleicht ist er schlecht übersetzt, aber egal. Oder ihr seht euch den Film an. Das heißt, ich weiß nicht genau, ob es einen Film danach gibt. Es ging mir damit wie mit Robinson. Ich sah alles ganz genau vor mir, jedes Bild. Ich weiß nicht, ob das einer kennt. Man sieht alles so genau vor sich, als wenn man es im Film gesehen hat, und dann stellt sich heraus, es gibt überhaupt keinen Film. Aber wenn es tatsächlich keinen Salinger-Film gibt, kann ich jedem Regisseur nur raten, einen zu drehen. Er hat den Erfolg schon in der Tasche. Ich weiß zwar nicht, ob ich selbst hingegangen wäre. Ich glaube, ich hätte Schiß gehabt, mir meinen eigenen Film kaputtmachen zu lassen. Ich war zeitlebens überhaupt kein großer Kinofan. Wenn es nicht gerade Chaplin gab oder etwas in der Art, diese überdrehten Melonenfilme, wo die Bullen in ihren idiotischen Tropenhelmen immer so herrlich verarscht werden, hättet ihr mich in jedem Kino suchen können. Oder »Junge Dornen« mit Sidney Poitier, vielleicht kennt den einer. Den hätte ich mir jeden Tag ansehen können. Ich rede jetzt natürlich nicht von diesen Pflichtfilmen für den Geschichtsunterricht. Da mußte einer hin. Die standen im Lehrplan. Ich ging da übrigens gern hin. Man kriegte in einer Stunde mit, wozu man sonst ewig und drei Tage im Geschichtsbuch rumlesen mußte. Ich fand immer, das war ein praktisches Verfahren. Ich hätte gern mal einen gesprochen, der solche Filme macht. Ich hätte ihm gesagt: Weiter so. Ich finde, solche Leute muß man ermuntern. Sie sparen einem viel Zeit. Ich war zwar mit jemand vom Film bekannt, es war zwar kein Regisseur, der Mann schrieb die Bücher, aber ich glaube, kaum für solche Geschichtsfilme.
    Er grinste bloß, als ich ihm meine Meinung dazu sagte. Ich konnte ihm nicht klarmachen, daß ich es ernst damit meinte. Ich lernte ihn kennen, als sie uns eines Tages von der Berufsschule in einen Film scheuchten, zu dem er das Buch geliefert hatte. Anschließend: Gespräch mit den Schöpfern. Aber nun nicht jeder, der wollte, sondern nur die Besten, die Vorbilder — als Auszeichnung. Die ganze Show fand nämlich während des Unterrichts statt. Und vorneweg natürlich Edgar Wibeau, dieser intelligente, gebildete, disziplinierte Junge. Unser Prachtstück! Und all die anderen Prachtstücke aus den anderen Lehrjahren, pro Lehrjahr immer zwei.
    Der Film spielte heute. Ich will nicht viel darüber sagen. Freiwillig war ich nie da reingegangen, oder höchstens, weil meine M.S.-Jungs die Musik gemacht hatten. Ich nehme an, sie wollten ins Filmgeschäft kommen. Es ging um so einen Typ, der aus dem Bau kam und jetzt ein neues Leben anfangen wollte. Bis dahin hatte er wohl ziemlich quer gelegen, ich meine politisch, und der Bau hatte daran auch nicht viel geändert. Sein Delikt war Körperverletzung, er hatte so einem Veteranen eine angesetzt, weil der ihn gereizt hatte in Fragen zu lauter und zu scharfer Musik. Gleich nach dem Bau kam er ins Krankenhaus, ich glaube, wegen Gelbsucht, jedenfalls durfte ihn keiner besuchen. Er hatte auch niemand. Aber im Krankenhaus, auf seinem Zimmer, lag so ein Agitator oder was das sein sollte. Jedenfalls redete er so. Als ich das sah, wußte ich sofort, was kam. Der Mann würde so lange auf ihn losreden, bis er alles einsah, und dann würden sie ihn hervorragend einreihen. Und so kam es dann auch. Er kam in eine prachtvolle Brigade mit einem prachtvollen Brigadier, lernte eine prachtvolle Studentin kennen, deren Eltern waren zwar zuerst dagegen, wurden dann aber noch ganz prachtvoll, als sie sahen, was für ein prachtvoller Junge er doch geworden war, und zuletzt durfte er dann auch noch zur Fahne. Ich weiß nicht, wer diesen prachtvollen Film gesehen hat, Leute. Das einzige, was mich noch interessierte außer der Musik, war dieser Bruder da von dem Helden. Er schleppte

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