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Die Nibelungen neu erzählt

Die Nibelungen neu erzählt

Titel: Die Nibelungen neu erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Höflichkeit, daß man zuerst seinen Namen nennt.«
    »Ich bin Siegfried.«
    Und der Mann sagte: »Und ich bin Mime. Mir gehört diese Schmiede hier. Ja, es gibt bei uns zu essen und zu trinken, aber wir sind gewohnt, daß wir für Essen und Trinken arbeiten. Willst du das tun?«
    Siegfried sagte: »Ja natürlich! Was ist Arbeit?«
    Die anderen lachten, die Gesellen, die rußigen, die standen nun noch näher um ihn herum: »Der weiß nicht, was Arbeit ist!«
    Siegfried lachte mit, sagte: »Ich möchte es gerne wissen. Sagt es mir!«
    Mime, der Schmied, sagte: »Weißt du, Siegfried, in der Welt draußen kann ein Mann nur bestehen, wenn er ein Handwerk erlernt hat.«
    »Ich will in die Welt hinaus«, rief Siegfried aufgeregt. »Sagt mir, was ein Handwerk ist! Darf ich euer Handwerk lernen? Bekomme ich dann zu essen und zu trinken?«
    Sie lachten alle, daß es nur so dröhnte, und Mime, der Schmied, sagte: »Ja, vielleicht kann ich dir auch unser Handwerk beibringen. Und nun setz dich und iß und trink erst einmal!«
    Ihm gefiel dieser Siegfried. Mime sah, dieser junge Mann hatte Kraft, und ein Schmied braucht Kraft.
    Jeder Lehrer, und Mime fühlte sich als Lehrer, hat doch den Ehrgeiz, einmal einen Schüler zu finden, der über ihn, seinen Lehrherrn, hinauswächst, jeder gute Lehrer will das. Mime dachte bei sich: Das muß doch eine Aufgabe sein, die unbändige Kraft dieses jungen Mannes hier zu formen.
    Als sie gegessen und getrunken hatten, sagte er: »Gut, Siegfried, paß auf! Wir wollen, daß du uns zeigst, was du mit deinen Muskeln anfangen kannst.«
    Er ließ einen Hammer herbeischaffen, den größten und schwersten, der zur Verfügung stand, und er führte Siegfried zum größten und schwersten Amboß. Man übergab Siegfried den Hammer, zwei Gesellen trugen ihn, so schwer war er. In den Händen von Siegfried sah er aus, als wäre er ein Spielzeug. Dann schleppten die Gesellen ein großes glühendes Stück Eisen herbei und legten es mit riesigen Zangen auf den Amboß.
    Mime, der Schmied, sagte: »Hör zu, Siegfried! Du mußt jetzt diesen Hammer halten und ihn mit all deiner Kraft auf dieses glühende Eisen schlagen. Es ist Eisen, verstehst du, rohes Eisen, glühendes Eisen zwar, aber es ist dennoch hart. Du sollst es bearbeiten, zeig uns, was du kannst.«
    Siegfried fragte nach: »Nennt man das ein Handwerk, wenn man mit aller Kraft …?«
    »Ja, mit aller Kraft nennt man Handwerk«, sagte Mime.
    »Gut«, sagte Siegfried.
    Die Gesellen grinsten und tuschelten einander zu: »Also, wollen wir mal sehen, was dieser Neue hier macht.«
    Siegfried nahm den Hammer, konzentrierte sich, sammelte all seine Kräfte in seinen Armen, holte aus und schlug zu. Der Stiel des Hammers zersplitterte, das glühende Eisen flog davon, und wo der Amboß war, da war nichts mehr, denn er hatte den Amboß bis zum Boden in die Erde hineingeschlagen.
    Da lachten die Gesellen nicht mehr, und Mime, der Schmied, brauchte einige Zeit, bis er die Worte wieder fand.
    Siegfried blickte sich um, fragte: »Habe ich etwas falsch gemacht? War das jetzt das Handwerk des Schmieds?«
    Mime sprach sehr langsam: »Ja, also, grob die Richtung war es, das muß man zugeben. Man muß dann schon noch einiges an dir zurechtschleifen, das schon …«
    Dann lachte er laut heraus und lachte lang, und in der Nacht wachte er ein paarmal auf, und da konnte man ihn lachen hören, Mime, den Schmied. Ja, dieser Siegfried, der gefiel ihm.
    Am nächsten Morgen sagte Mime zu Siegfried: »Gut, wenn du willst, dann nehme ich dich als meinen Lehrling auf. Ich werde dir also das Handwerk des Schmieds beibringen.«
    Mime war ein sehr guter Lehrer. Ganz anders als Siegfrieds Vater, der geglaubt hatte, mit dem Groben könne man das Grobe beherrschen lernen, wußte Mime: Das Grobe, die pure rohe Kraft, kann nur vom Feinen gebannt werden.
    Er sagte zu Siegfried: »Paß auf, ich gebe dir hiermit den Auftrag für ein Gesellenstück. Du sollst nicht so etwas Grobes machen wie die anderen, so etwas Eisenbahnschienenmäßiges, nein, du sollst ein feines Netz schmieden. Ein Netz, so hart, daß es nicht zerreißen kann, so groß, daß es unseren ganzen Hof bedecken kann, aber so fein, daß du es in einer Hand verbergen kannst.«
    Das war eine sehr gute Aufgabe, und Siegfried machte sich sehr froh ans Werk.
    Es dauerte lang, bis er sein Gesellenstück fertig hatte. Er konzentrierte seine ungeheure Kraft auf diese feine Arbeit. Die Augen schmerzten ihn am Abend. Die Finger wurden steif und

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