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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Kostümen zu durchwühlen. Sie hätten über den ganzen Flur verstreut gelegen, klagte sie, es habe sie eine halbe Stunde gekostet, alles wieder ordentlich zusammenzufalten und zurückzulegen, vielleicht müßten sie in Zukunft doch besser einen Teil des Hauses abschließen, vor diesen Rotzbengeln sei ja nichts sicher.
    »Die Kostüme sind dazu gemacht, um darin zu spielen«, murmelte von Bötticher. »Wir geben ja doch keine Maskenbälle mehr auf Raeren. Ich muß etwas trinken, Leni. Ein Glas Kognak.«
    Friedrich schob als erster seine Maske hoch. Er zupfte an den Troddeln seines Morgenrocks, den er in Ermangelung eines Umhangs angezogen hatte. Er stand ihm gut, der reichbestickte Stoff stammte aus einer Zeit, als junge Männer noch stolz gewesen waren auf einen so goldenen Teint wie den seinen. Im Eisblau seiner Augen waren die Pupillen stark verengt, und trotzdem schirmte er sie nicht gegen die Sonne ab. Er war, wurde mir von neuem bewußt, beunruhigend schön. Weil Siegbert diesen Eindruck nur dann machte, wenn er schwieg, war es unvermeidlich, daß sie nach einer Weile an Schönheit auseinanderwüchsen. Siegberts starre Mimik würde mit den Jahren Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, während Friedrich so bliebe, wie sie mal beide gewesen waren. Sie wären nicht mehr gleich. Trotzdem würden sie sich weiterhin gegenseitig aus Gewohnheit als Spiegelbild betrachten und daher den Unterschied selbst nicht bemerken.
    »Du bist zu Boden gefallen, und der Meister hat dich wie eine Feder aufgehoben«, sagte Siegbert. »Völlig schlaff hingst du da, die Maske noch auf dem Kopf. Eigentlich hätte ich dich wegtragen müssen. Schließlich habe ich dich geschlagen.«
    »Wie findest du unsere Kostüme?« fragte Friedrich. »In der Truhe waren auch Mädchenkleider. Schau selbst, sie steht am Ende des Flurs. Gegenüber vom Zimmer des Meisters.«
    Ich hatte eigentlich keine Lust, mich zu ihren kindischen Spielen herabzulassen. Vor allem Siegbert gegenüber mußte ich meine Würde bewahren. Mich wegtragen, was fiel ihm ein.
    »Ach komm, Janna. Sei kein Frosch. Einer für alle, alle für einen!«
    Neugier stimmte mich um. In dem Teil des Hauses war ich noch nicht gewesen. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, durch die Tür zu gehen, hinter der sich der Herr des Hauses mit zwei Hunden und einem Kaninchen verschanzt hatte. Aber sie war nicht einmal abgeschlossen. Dahinter verbarg sich ein sonniger Flur mit großen Fenstern, die selten geputzt wurden. Das Parkett war gesprungen, aber es roch dort angenehm, wie in Museen, wo der Staub sich zwischen Artefakten sammelt, die nicht gesäubert werden dürfen. Der Meister hatte sich in den Garten gesetzt, den Rücken zum Haus. Er hielt ein Kognakglas in der Hand. Ich mußte daran denken, was er über die Einsamkeit gesagt hatte, daß man nur einsam ist, weil andere einen dafür halten. Ich sah ihn, er mich nicht. Nur ich konnte beschließen, daß er einsam war, mit seinem leeren Glas. In der Truhe stank es nach Rosen. Jemand hatte Seifenstücke zwischen die Kleider geschoben, der Geruchwürde nie mehr rausgehen. Es waren Musketieranzüge, Wämser und Pluderhosen. Ganz unten lagen ein Kleid aus rotem Taft, das mir bestimmt zu groß war, ein monströser Hut mit Voileschleier und schließlich ein weißer Unterrock mit Fischbeinstäbchen, zusammengeklappt wie ein Lampenschirm. Dazu gehörte ein Korsett. Ich kauerte mich hinter die Truhe und knöpfte mein Kleid auf. Der Meister saß noch immer mit dem Rücken zu mir, einsam oder nicht, hinter mir war die Tür zu seinem Zimmer. Das durfte ich nicht betreten. Oder vielleicht doch? Ich konnte mich hier nicht ausziehen, die Zwillinge konnten jeden Moment in den Flur stürmen. Von Bötticher hatte es nicht schlimm gefunden, daß sie in seinen Sachen gestöbert hatten, und ebensowenig hatte er protestiert, als Friedrich mich zu der Truhe schickte. Erinnerungen tauchen auf, wie es ihnen paßt. Nun, hinter dieser Tür warteten welche. Als ich die Klinke herunterdrückte, war mir, als ließe mich etwas ein. Das Zimmer war nicht größer als meins, war aber mit rührender Hingabe eingerichtet.
    Viele Kuriosa hatten mit Tieren zu tun: ein ausgestopftes Eichhörnchen im Frack, das Pfeife rauchte, eine Aquariumsuhr mit zwei Fischen, die die Zeit anzeigten, ein hölzerner Pelikan mit einer Weltkugel im Schnabel. Unter dem Fenster stand schräg ein hohes französisches Bett mit nur einem Kopfkissen und einer kostbaren Überdecke, die, wie ich fand, nicht

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