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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Mädchen ist Arzttochter.«
    »Ich weiß nicht, ob …« stammelte ich. »Wo ist der andere Arzt?«
    Der hatte alle Hände voll zu tun mit dem Paukanten seiner eigenen Verbindung. Von Bötticher zog mich grob herunter, so daß ich vor dem Opfer auf die Knie fiel. Der Junge sah mich noch immer nicht an. In der Arzttasche fand ich Watte und Alkohol, womit ich vorsichtig seine Stirn betupfte.
    »Du bist ein Held, Hugo«, sagte von Bötticher. »Gut gemacht.« Er saß so nah, daß seine Pelzmütze mein Gesicht berührte. Mir stieg das Blut in die Wangen. Der Junge hatte ein liebes Gesicht, aber es war schmutzig. Vielleicht waren die Duschen im Verbindungshaus besetzt gewesen, so daß er sich vor seiner Initiation nicht einmal hatte waschen können. Seine Stirn blutete und blutete. Über der Braue saß ein Schnitt, der klaffte wie der Schnabel eines Nestjungen.
    »Siehe die Hände einer Frau, sie verrichten Wunder!«
    Der Otter, Gott sei Dank. Er ging in die Hocke undübernahm den Wattebausch, den ich auf die Wunde gedrückt hielt.
    »Herr Paukant, Sie liegen da so entspannt, Sie brauchen bestimmt keine Betäubung?«
    Der Junge schüttelte kurz den Kopf. Aus seinem dicken Haar fielen Blutstropfen: noch eine Wunde. Ich suchte nach der Tasche, um noch mehr Watte zu holen, wurde jedoch vom Unparteiischen davon abgehalten. Er kaute an irgendwas herum. Verärgerung.
    »Meine Herren, können Sie mir sagen, was sie hier macht? Das ist gegen die Regeln des Comments.«
    »Immer mit der Ruhe«, murmelte der Otter, während er den Faden durchs Nadelöhr zog. »Das Mädchen war nicht bei der Mensur selbst dabei.«
    »Sie assistiert dem Doktor«, sagte von Bötticher zu dem Gestauchten. »Ihr Vater ist Arzt in Maastricht. Sie ist auf Raeren, um ihre Fechttechnik zu verbessern.«
    »Fechtet ihr in Holland nicht mit Kartoffeln?« fragte ein langer Junge. »So was hab ich mal gehört. Sie binden einem vier Kartoffeln an den Körper: eine auf den Kopf, eine auf den Bauch und zwei an jede Seite, und dann muß man sie mit einem Hieb mittendurch schlagen. So ähnlich wie Wilhelm Tell, nur mit dem Säbel. Muß toll sein.«
    Alle lachten, mit Ausnahme des getroffenen Paukanten. Er blickte zur Decke, ernst wie ein Engel, während sich seine Ohrmuschel mit Blut füllte.
    »Sie machen es doch nicht zu schön, Herr Reich?« fragte von Bötticher. »Es muß schon noch was davon zu sehen sein, sonst hat der Knabe ja ganz umsonst gefochten. Aber das kapiert ihr Ärzte nicht. Alles muß immer heilen, als ob Erfahrung nicht zählen würde. Als ob das Leben keine Spuren bei einem Menschen hinterlassen dürfte. Heutzutage gibt es sogar Ärzte, die psychische Wunden wegputzen. Wie eifrige Hausfrauen legt ihr los; äußerlich, innerlich, nichts entgeht eurer Aufräumwut.«
    Der Otter sah sich amüsiert um, ließ dabei aber die Hände nicht ruhen. Der Paukant wischte sich nur den Schweiß von der Oberlippe. Noch bevor dort ein Schnurrbart gewachsen war, würde sich das Zeichen an seiner Stirn von Rot zu Rosa färben.
    »So«, sagte der Otter schließlich, »das wird gut. Herr von Bötticher, wo ist die Musik? Es kommt nicht oft vor, daß eine Dame bei der Mensur zugegen ist. Ich möchte tanzen.«
    »Keine Musik«, sagte von Bötticher. »Und das Mädchen muß in der Küche helfen. Sofort.«
    Zu meiner Überraschung roch es dort köstlich. Lenis Zaubersprüche hatten zu zwei prachtvollen, braungebackenen Fleischlaiben geführt. Sie befühlte die Kruste, ob man sie schon anschneiden konnte. Erst den Kuchen in den Ofen, den Speck über Himmel und Erde, und jetzt los, ein Klaps auf meinen Hintern, bring das schon mal in den Saal. Als ich mit der Terrine eintrat, drängten sich die Studenten um den Tisch.
    »Wenn ich so frei sein darf?«
    Hinter mir stand der lange Junge, der die Bemerkung über das Kartoffelfechten gemacht hatte. Er hatte ein einnehmendes Gesicht, eine Seltenheit im Saal. Vielleicht wirkte er freundlicher als der Rest, weil seine Haut gut heilte. Weil sie sich zu einer vagen Unebenheit unterhalb des linken Wangenknochens geschlossen hatte, mochte das so beabsichtigt gewesen sein oder nicht.
    »Ich würde nach dem Essen gern gegen Sie fechten«, sagte er. »Nicht scharf. Ganz normal, mit dem Florett.«
    Er deutete auf die beiden antiken Stoßwaffen an der Wand, rostige Dinger, aber anscheinend immer noch geschliffen scharf.
    »Das sind keine Florette, sondern Pariser«, schaltete sich der Otter ein. »Lebensgefährlich. Die Narben, die sie

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