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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Gemüter zu beruhigen. Nicht einmal von den Todgeweihten kannst du es ertragen, angemacht zu werden?, fragte das Mädchen. Im Gegenteil, ich liebe es, sagte Padilla, und dann fragte er sie, wo sie so schwierige Wörter gelernt habe. Das Mädchen zog die Brauen hoch. Todgeweiht, sagte Padilla. Das Mädchen lachte und sagte, im Krankenhaus natürlich.
    Sie wurden Freunde.
    Zwei Wochen nach seiner Entlassung traf er sie in einer Bar der Metro Urquinaona. Sie hieß Elisa und verkaufte in kleinen Mengen Heroin. Sie erzählte ihm, ihr älterer Bruder sei bereits gestorben und der andere, sein Bettnachbar im Krankenhaus, würde ihm in Kürze folgen. Padilla versuchte, ihr mit Zahlen, Überlebenschancen und der Einführung neuer Medikamente Mut zu machen, merkte aber bald, dass das nutzlos war.
    Sie hieß Elisa und ihr Absatzgebiet war das Nou Barris, wo sie wohnte, wobei sie allerdings die Drogen in El Raval kaufte. Padilla begleitete sie ein paarmal. Der Verkäufer hieß Kemal und war schwarz. Unter anderen Umständen hätte Padilla versucht, ihn flachzulegen, aber in jenen Tagen war er an Sex nicht besonders interessiert. Er hörte und schaute lieber zu. Zuhören und zuschauen: neue Erfahrungen, die, wenn sie ihm nicht Mut machten, zumindest bewirkten, dass seine Verzweiflung langsamer, verhaltener voranschritt und ihm die Möglichkeit gab, das zu objektivieren, wovon er im übrigen wusste, dass es sich nicht objektivieren ließ. Elisa war achtzehn und lebte bei ihren Eltern. Sie hatte einen Freund, der auch an der Nadel hing, und einmal im Monat traf sie sich mit einem verheirateten Typen, der ihr finanziell unter die Arme griff.
    Der Brief endete mit einer Beschreibung des Mädchens. Durchschnittlich groß, sehr dünn, allzu üppige Brüste, olivfarbene Haut, große mandelförmige, von langen, verträumten Wimpern beschirmte Augen, fast keine Lippen, Stimme in angenehmer Tonlage, doch durch Erziehung oder aus Gewohnheit zum Schreien oder Keifen neigend, wohlgeformte Hände mit langen, eleganten Fingern, aber abgekauten, krummen und verwachsenen Nägeln, Brauen, die dunkler waren als ihre Haare, ein flacher, glatter, kräftiger Unterleib. Einmal, schrieb er, als er von Unterleib sprach, habe er sie zum Schlafen mit nach Hause genommen, und sie hatten sich das Bett geteilt. Hast du keine Angst, dass ich dich mitten in der Nacht vögeln und anstecken könnte? Nein, sagte Elisa. Daraufhin kam Padilla zu dem Schluss, dass sie auch die Antikörper hatte. Vor dem Einschlafen streichelten sie sich noch eine Weile. Leidenschaftslos, betonte Padilla, eher freundschaftlich, würde ich sagen. Am nächsten Morgen frühstückten sie mit seinem Vater. Mein Vater, schrieb Padilla, versuchte sich seine Überraschung und sein Glück nicht anmerken zu lassen, aber es gelang ihm nicht.
    Zu seiner Gesundheit äußerte er sich nur vage. Er habe eine empfindliche Lunge, wie empfindlich, verriet er nicht. Er esse gut, mit Appetit.
    Amalfitanos Antwort folgte prompt. Er erzählte ihm von seinem Blitzbesuch in Tijuana zwecks Aidstest, beschwor ihn, offen über seine Krankheit Auskunft zu geben (ich will genau wissen, in welchem Zustand du bist, ich muss es wissen, Joan), empfahl, im Rahmen des möglichen unermüdlich an der Abfassung seines Romans zu arbeiten. Er schrieb ihm nicht, dass er bereits wusste, der Test würde negativ ausfallen. Er schrieb ihm nicht, dass er bereits davon geträumt hatte, alles stehen und liegen zu lassen, nach Barcelona zu fliegen und ihn zu pflegen.

17
     
    Für seinen nächsten Brief hatte Padilla die Rückseite einer Reproduktion von Larry Rivers benutzt: Porträt von Miss Oregon II , 1973, Acryl auf Leinwand, 167,6 x 274,3 cm, Privatbesitz, und Amalfitano war im ersten Moment so perplex, dass er gar nicht lesen konnte und nur überlegte, ob er Padilla in einem früheren Brief von seiner Reise nach Tijuana, Baja California Norte, sowie Isabels Geschichte von der Reise zur Larry-Rivers-Ausstellung nach San Antonio, Texas, erzählt hatte. Die Antwort lautete nein, Padilla wusste nicht einmal von Isabels Existenz, weshalb die Larry-Rivers-Postkarte ein Zufall gewesen sein musste. Ein Zufall oder ein Wink des Schicksals (Amalfitano erinnerte sich an eine Zeit, in der er geglaubt hatte, dass es keinen Zufall gebe, dass alles eine Ursache habe, aber wann das war, wusste er nicht mehr, nur noch, dass er das irgendwann geglaubt hatte), etwas, das etwas zu bedeuten hatte, etwas mehr, der schreckliche Stand der Gnade, in

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