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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Handwerker, Kaufleute, Schuhflicker, Scherenschleifer, Studenten, die ihre Universität wechselten, und Wallfahrer auf der Suche nach dem Seelenheil.
    Auf dem Scharnitzpass erreichten sie die habsburgische Grenzstation. Beim Anblick der Zöllner begann Christophs Herz heftiger zu klopfen. Alle mussten sich ausweisen, und als er seinen Geleitbrief von Reinhard herzeigte, musterte ihn der Zollbeamte argwöhnisch. Doch er schiensich mehr für die mitgeführte Ware zu interessieren als für die Insassen und gab Christoph den Brief mit einem Nicken zurück. So bewegte sich der kleine Trupp gegen Nachmittag auf die Dächer, Zinnen und Türme Innsbrucks zu. Beim Überqueren der Furt über den Inn atmete Christoph auf. Während das Rauschen des grünlichen Wassers in seinen Ohren klang, hatte er das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben. Er war endlich dem Arm der katholischen Kirche entkommen. Doch was würde ihn in Venedig erwarten? Ihre Nachtherberge war ein windschiefes, graues Gebäude mit einem kleinen Stall für die Tiere. Es stand allein an der Straße, die schon in Römerzeiten benutzt worden war. Im letzten Schein des Tages erkannte Christoph den von Hochwasser und Regen zerfurchten Handelsweg, mit Steinen bedeckt, der sich allmählich bis zum Brenner emporwand. Es wurde schnell dunkel. Die Schankstube war voll von Kaufleuten, fahrenden Händlern, Verlegern, die ihre papierene Ware laut anpriesen, und Pilgern, die eine Jakobsmuschel auf ihren weiten, dunklen Gewändern trugen.
    Am nächsten Tag schoben sich die Wolken bleigrau um die Berge. Nach einigen Stunden erreichten sie bei heftigem Regen den Flecken Gries, die letzte Station vor dem Brenner. Der Ort war nicht mehr als eine Ansammlung von dunklen Stein- und Holzhäusern. Das Gasthaus »Zum weißen Rössl« wirkte ein wenig freundlicher. Über der Tür hing ein eisernes Schild mit einem springenden Pferd, hinter dem Haus war ein Gemüsegarten angelegt mit Rüben, Stangenbohnen und Blauem Eisenhut. Behagliche Wärme strömte Christoph aus der Gaststube entgegen; es roch nach Schweinebraten. Nachdem sich alle aus seinem Trupp notdürftig gesäubert und die nassen Sachen zum Trocknen am Kachelofen aufgehängt hatten, versammelten sie sich in der Wirtschaft.
    »Wie wird das Wetter morgen?«, fragte Alois Breitnagel den Herbergsbesitzer.
    »Heute Nacht wird es aufklaren. Doch mit dem Wetter in den Bergen ist nicht zu spaßen. Ich habe eine alte Wunde am Bein. Wenn die so reißt wie heute, dann steht uns ein schlimmer Wetterwechsel bevor. Ich würde Euch empfehlen, morgen noch nicht weiter zu fahren.«
    Alois Breitnagel erstarrte mitten in der Bewegung, mit der er das Fleisch zum Mund führen wollte.
    »Wir können nicht warten«, rief er. »Jeder Tag, an dem die Ware zu spät in Venedig ankommt, kostet mich ein kleines Vermögen!«
    Die Fuhrleute schwiegen.
    »Der Wirt kennt die Berge wie seine Westentasche«, gab Christoph zu bedenken. »Wir sollten lieber auf ihn hören.«
    Alois Breitnagel lief rot an. »Wer führt hier das Kommando, Ihr oder ich?«, brüllte er. »Ihr kommt mir sowieso nicht ganz koscher vor, wie man bei den Juden sagt. Was habt Ihr denn in Eurem großen Reisesack, mit dem Ihr so geheimnisvoll tut?«
    Christoph zwang sich zur Ruhe.
    »Das, was man eben so auf Reisen braucht … Kleidung, Bücher …«
    »Sind es vielleicht verbotene Bücher?«
    »Es sind Bücher, die ich für mein Studium brauche.« Er versuchte wieder, über das Wetter zu sprechen, um den Mann abzulenken.
    »Sollten wir tatsächlich in ein Unwetter geraten«, sagte er und legte dabei die Hand in den Nacken, »würden wir Waren und Menschen gefährden.«
    »Was meint Ihr, wie oft ich die Alpen schon überquert habe?«, geiferte Breitnagel. »Ich kenne hier jeden Stein und jeden Strauch. In Venedig war ich schon, als Ihr noch in den Windeln lagt. Dort habe ich beste Beziehungen, vorallem …«, er lächelte vielsagend, »zu Huren und Kurtisanen.«
    »Hört, hört«, tönte es vom Nebentisch. »Könnt Ihr nicht mehr davon erzählen?«
    Breitnagels Züge entspannten sich, er nahm einen großen Schluck aus seinem Bierkrug.
    »Was wäre Venedig ohne seine Huren?«, fragte er mit gewichtiger Miene in die Runde. »Na? Das Gleiche, was es ohne seinen Markusplatz, seinen Dogen, den Karneval und die Gondeln wäre.«
    »Diese Kurtisanen sollen sehr gebildet sein«, warf ein junger Mann mit roten Wangen ein. »Lassen die sich überhaupt mit Euch ein?«
    »Und ob sie das tun!«,

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