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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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gerecht vor, das ist alles.«
    Tom reckte seinen Kopf, um dem letzten Satz nachzuhorchen. »Gerecht, nicht gerecht meinst du?«, sagte er. »Und was du mit Marietta machst, das ist wohl gerecht?«
    Marc senkte den Kopf, die Beine standen breit nebeneinander. »Ich hab ihr nie was Falsches versprochen«, sagte er leise.
    »Anne hat mir auch nie was versprochen, nichts. So ist es nun einmal.«
    Marc nickte, als hätte er in diesem Moment etwas begriffen. Wieder drehte er sich zur Fensterfront, strich sich durchs Haar, nickte.
    »Man kann sich nicht aussuchen, wen man liebt«, fügte Tom an. Er kam sich relativ weise vor, es klang gut und war ein passender Schlusssatz. Marc aber, obgleich in moralischer Hinsicht unterlegen, sah das Thema offenbar nicht als beendet an. »Es tut mir leid«, sagte er leise, noch immer mit dem Rücken zu Tom. »Du bist mein Freund, ich glaube, mein einziger Freund, ich glaube, ich hatte überhaupt noch nie einen«, er atmete, senkte den Kopf, hob die Schultern an und ließ sie wieder fallen. »Ich weiß nicht … ach, vergiss es, ich will einfach, dass es dir gutgeht.«
    Tom, der die ganze Zeit bewegungslos und hochgerade auf seinem Stuhl gesessen hatte, zögerte einen Moment, dann stand er auf, ging zum Fenster und stellte sich neben Marc, so dass sich ihre Oberkörper fast berührten. Wie Marc sah er schweigend auf den regennassen Hof hinab, wo ein Kleinkind im gelben Regenmantel in einer Pfütze hüpfte. »Es geht mir gut«, sagte Tom. Er sah auf das gelbe hüpfende Licht in der Dunkelheit des Hofs. »Es ging mir vielleicht nie besser.« Er stach seinen Ellbogen in Marcs Seite. »Bevor wir ins Altersheim gehen, mach ich bestimmt Schluss«, sagte er. Das sollte ein Witz sein.
    »Du kannst sie aber auch mitbringen«, sagte Marc. Das sollte ebenfalls ein Witz sein. Sie schielten einander von der Seite her kurz ins Gesicht. Tom dachte, dass irgendwelche Frauen sich jetzt bestimmt umarmt hätten, sie aber grinsten nur, rauchten am offenen Fenster eine Zigarette, verkabelten dann schweigend ihre Instrumente und Mikrofone und machten Musik, zu zweit, die halbe Nacht lang, bis ins graue Morgengrauen, das sie vollkommen überraschte.

KURZER DIALOG
    Tom: Ich glaube, ich habe mich verliebt.
    Anne: In wen?
    Tom: In dich.
    Anne: In was?
    Tom: In dein Haar, wenn es, wie jetzt, über deine Schultern fließt, in deine Augen, wenn du, lächelnd, sie schließt, sie dann öffnest, deine Hände, die so harmlos dir im Schoß liegen können. (Küsst ihre Hände, sieht ihr dabei in die Augen.)
    Anne: Ich liebe dich auch.
    Tom: Ich weiß.
    Anne: Du weißt? (Ihre Finger tief in seinem Haar. Mit seinem Kopf, geschlossene Augen, folgt er den Bewegungen ihrer Hand.)
    Tom: Ich weiß. Wie sollte ich es nicht wissen.
    Anne: Es wäre besser … ich wollte nicht, dass du es weißt.
    Tom: (Küsst sie lange und tief.)
    Anne: Wir können verreisen, mein Mann ist beschäftigt, wir können nach Paris, ein paar Tage, du und ich, wie die Verliebten. Auf Notre Dame werden wir zwischen den Steinmonstern Tauben füttern und stehen Hand in Hand und blicken über das Geflecht von Dächern im Abenddunst, das uns nichts angeht, oder wir liegen eine Woche lang im zerwühlten Hotelbett, geweckt aus unseren Träumen nur vom Getös der Kathedrale, Weinflecken auf den Kissen, unendliche Nachmittage, und du liest mir aus dem Reiseführer vor, Gedichte von Baudelaire.
    Tom (legt seinen Kopf in den Nacken, atmet ein, Untertext): Ja! (Stellt sich vor, sie einmal im frühesten Morgenlicht zu sehen, ganz nackt, bedeckt nur von seinen Blicken, ihr Haar auf das Kissen gebreitet, noch voller Nacht, ein Bein angewinkelt, ausgestreckt die Arme, »komm«.)
    Anne: Was ist?
    Tom: Nichts, ich bin verrückt nach dir.
    Anne: Du bist verrückt!
    (Leider nur ein Traum).

SCHNEECHAOS
    Zu Silvester hatten die ehemaligen »Hinterhofjungs«, die an diesem Abend »Die Milchmädchenrechnung« hießen, ihren ersten offiziellen Auftritt mit Betty, vor ungefähr zwölf Zuhörern. Sie spielten in einem kleinen Club in der Ackerstraße, wo eine riesige Diskokugel ihr Lichtgeflimmer über die mit roten Stoffen ausgeschlagenen Wände drehte und auf der schummrigen, ebenfalls rotplüschig verhangenen Bühne ein antikes verstimmtes Klavier stand, dem der Deckel und zwei Tasten fehlten, und darüber, leise klirrend, ein falscher Kristallleuchter schwebte. Betty hatte einen Stapel alter Hörspielplatten auf dem Flohmarkt gekauft, »Winnetou«, »Schatzinsel«, »Fünf

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