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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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weiter. Sie hüpfte lachend durch das fremde weiße Bild des Gartens, rückwärts, mit dem Blick auf ihm, der er noch immer im Schnee saß und in seinem Hemdkragen fingerte.
    Sie solle nur warten, rief er ihr lachend nach, was sie nicht tat, sie werde schon sehen, schrie er mit einer Stimme, von der er nicht wusste, ob sie überhaupt bei ihr ankäme, da der Schnee den Schall schluckte. Die eigenen Schritte, das Atmen, das Rufen klangen überaus nah, aber fremd. Der Schnee zog einen weißen Kreis um ihn, trennte ihn von allem anderen ab. Er sprang auf, griff tief hinunter, knetete einen Ball, in halb gebückter Haltung noch, nahm Anlauf, trat an und zielte, während Betty ihren Körper aber der Länge nach bog, den Arm zur Seite über den Bauch gestreckt, wodurch die Kugel scharf an ihr vorbeipfiff. Wieder griff er in den Schnee, rannte, während sie davonsprang, als springe sie um ihr Leben, eskortiert von den bellenden Hunden, zum weiß verhüllten Fichtenhain hinüber, wo er weit ausholte und den Ball mitten auf ihre Brust feuerte. Sie, erstaunt, schwankte kurz zwischen Lachen und Empörung, denn der Wurf war hart ausgefallen, und ging zum Angriff über. Jetzt nämlich könne er was erleben, meldete sie, verengte die Augen und beugte sich hinab, Tom lief in Richtung Terrasse, aber als er sich unvorsichtig kurz umwandte, flog eine stäubende Kugel an seinen Hals. Im Laufen, während das Eis an seiner Brust hinabrann, grub er mit beiden Händen tiefe Furchen in den Schnee, in der Ferne flatterte Bettys roter Schal, winkte ihm zu, aber der Abstand zwischen ihnen verringerte sich, er lief, die weißen Bäume und Büsche und Fläche des Gartens flogen an ihm vorbei, und er packte sie von hinten am riesigenParka, sie wand sich, er aber hielt sie fest und rieb ihr die schmelzende Kugel ins Gesicht, schwer atmend alle beide, sie wehrte sich, biss in seine Hand, hakelte ein Bein rückwärts zwischen seine, bis beide das Gleichgewicht verloren, ins flimmernde Weiß stürzten.
    Betty lag auf dem Rücken, Wangen rot, sie keuchte, ihre Augen waren noch immer schmal, hell leuchtete der Schneehimmel darin. Tom sah ihr ins Gesicht, durchs Fallen über sie gebeugt, sie lachten jetzt, atemlos, und er beobachtete, wie sich ihre Wangen mit Schneeflocken füllten, eine nach der anderen schmolz und hinterließ feuchten Glanz auf ihrem Gesicht. Ihrer beider Atemfahnen wehten ineinander. Tom spürte wie sein Arm taub wurde, er lag unter Bettys Rücken, aber er ließ ihn, wo er war, sah auf ihren Hals, der zwischen den Bahnen des Schals hervorschimmerte und pulsierte, dann wieder in die Augen, die helldunklen mit Himmel darin.
    »Idiot«, flüsterte Betty. »Selber Idiot«, flüsterte Tom. »Na warte«, keuchte sie. Dann strich sie ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, und er ließ seinen Kopf auf ihre Brust sinken, so lagen sie, wurden von den weichen Flocken zugedeckt und ruhten sich aus.
    Erst als die Hunde bellten, richteten sie sich auf, saßen wie Kinder nebeneinander, weiß eingeschneit, und sahen, wie Anne Hermanns im langen Wollmantel auf der Terrasse stand, ihre Tennistasche über der Schulter, unschlüssig, als hätte sie vergessen, was sie eigentlich wollte, wo sie eigentlich sei. Und langsam, etwas wacklig, stapfte sie durch den Schnee zum Haus hinüber, schloss auf und verschwand.
    Als Tom wenige Minuten später vor der Haustür stand und klingelte, tat sich lange Zeit nichts. Erst nachdem Betty denGarten verlassen und er dreimal geklingelt hatte, hörte er ihre hallenden Schritte, die sich aus den Tiefen des Hauses zügig näherten.
    »Thomas«, sie tat erstaunt, »wie schön, ich hoffe, Sie waren nicht schon einmal hier?«
    »Ich … ich war im Garten«, sagte er.
    »Das tut mir leid, es ist ein fürchterliches Schneechaos auf der Straße. Es ging absolut gar nichts mehr.« Während sie ihm ins Wohnzimmer voranging, die Hände rechts und links vom Körper in die Luft gewinkelt, Handflächen kreisend, redete sie über den zusammengebrochenen Verkehr, die blinkenden Polizeiautos, Feuerwehr, allerorten, Unfälle, nein Unfälle!, schrecklich, Auffahrunfälle vor allen Dingen, glücklicherweise wohl keine Verletzten, aber es sei doch immer wieder erstaunlich, wie diese Großstädter, sagte sie, so wenig mit dem Wetter umgehen könnten. Eine Schneeflocke, so sprach sie, und die gesamte Zivilisation breche zusammen. Sie selbst kam ja vom Land.
    Im Wohnzimmer angelangt, standen sie einander gegenüber, und Anne Hermanns’ Blick

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