Die Palm-Beach-Verschwoerung
Wasser in ihren Lungen. Sie wollte nach dem Gesicht des Mannes greifen, versuchte, ihn zu kratzen, irgendetwas zu tun. Durch das Badewasser hindurch sah sie, wie er sie mit seinen kräftigen Armen nach unten drückte. Viel zu viel Zeit verging. Sie hörte auf zu treten. Hörte auf, sich zu wehren. Hörte auf zu husten. Das kann doch nicht sein, sagte eine Stimme in ihr.
Dann eine andere, ängstliche Stimme - viel zugänglicher, als Tess sich je vorgestellt hatte: Doch, es kann sein. So ist es, wenn man stirbt.
7
»Hey, Geächteter!«, rief Bobby, als ich die Küche des heruntergekommenen, kanariengelben Hauses in einer schäbigen Gegend gleich an der 95 in Lake Worth betrat.
»Neddie.« Dee stand auf, kam zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ein Traum in Jeans und mit langen, honigblonden Haaren. Jedes Mal, wenn sie die Arme um mich legte, musste ich daran denken, dass ich schon mit fünfzehn in sie verknallt gewesen war. Das waren alle aus unserem Viertel gewesen. Aber sie hatte sich in der neunten Klasse in Bobby und sein Bon-Jovi-Aussehen verliebt.
»Wo warst du?« Mein Cousin Mickey blickte auf. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift: DIE RICHTIG BÖSEN JUNGS KOMMEN AUS BROCKTON.
»Wo soll er deiner Meinung nach denn gewesen sein?« Barney lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verzog unter seiner schwarz gerandeten Brille die Lippen zu einem Grinsen. »Sieh dir doch dieses Kindergesicht an. Heute ist der größte Tag seines Lebens, und er bezirzt irgendwelche Damen.«
»Bitte«, tadelte ihn Dee, zuckte aber schließlich mit den Schultern und warf mir einen fragenden Blick zu. »Und?«
»Und …« Ich blickte in die Runde. »Sie ist gekommen.«
Jubel ertönte. »Gott sei Dank«, meinte Bobby. »Ich habe mich schon gefragt, wie wir das mit Neddie-Boy durchziehen, wenn er alle fünf Minuten eine Panikattacke kriegt. Hier, hast du dir verdient …« Er schob mir ein Bier rüber.
Mickey blickte auf seine Uhr. »So spät, wie es schon ist, und so bescheuert, wie du grinst, würde ich sagen, es war das beste Mittagessen deines Lebens.«
»Ihr würdet es mir nicht glauben.« Ich schüttelte den Kopf.
»Wir haben alle Zeit der Welt«, widersprach Mickey, der mit seinem Sarkasmus etwas zu dick auftrug. »Wir haben ja heute sonst nichts zu tun. Ach so, doch, nur diese kleine Angelegenheit von fünf Millionen Dollar.«
»Entspann dich«, ermahnte ihn Barney und zwinkerte mir zu. »Er ist nur sauer, weil der Tierschutzverein bei der einzigen Kreatur, die mit ihm ins Bett geht, aktive Sterbehilfe geleistet hat.«
Am Tisch wurde vereinzelt gelacht. Mickey griff zu einer schwarzen Leinentasche, aus der er fünf große Umschläge herauszog. »Und, wie heißt sie?«
»Tess«, antwortete ich.
»Tess.« Mickey spitzte seine Lippen, bevor er sie zu einem leisen Lächeln verzog. »Du glaubst, diese Tess wird dich immer noch lieben, wenn du mit einer Million zurückkommst?«
Alle traten an den Tisch. Heute Nacht würde sich alles für uns ändern. Für uns alle. Es war belebend. Aber auch eine reine Geschäftsangelegenheit.
Mickey verteilte die Umschläge.
8
Es war Mickeys Plan, bis in die kleinste Einzelheit. Nur er kannte ihn. Und wusste, wie alles zusammenpasste.
Auf dem South Ocean Boulevard gab es ein traumhaftes Haus. Im Milliardärsviertel von Palm Beach. Es hatte sogar einen Namen: Casa del Océano.
Haus am Meer.
Und darin: Weltklasse-Kunstwerke im Wert von fünfzig bis sechzig Millionen Dollar. Ein Picasso. Ein Cézanne. Ein Jackson Pollock. Vielleicht noch anderes wertvolles Zeug. Aber Mickey hatte deutlich gemacht: Nur diese drei sollten mitgenommen werden.
Hinter dem Job steckte ein Genie. Lief unter dem Namen Dr. Gachet herum. Mickey wollte nicht erzählen, wer das war. Die Sahne mit der Kirsche obendrauf war, dass wir das Zeug nicht mal verhökern mussten. Wie aus einem Lehrbuch für Einbrecher. Unser Anteil betrug zehn Prozent in bar. Fünf Millionen. Am nächsten Tag. Wie in alten Tagen durch fünf geteilt. Dafür setzte ich alles aufs Spiel. Mein unbeflecktes Vorstrafenregister. Das Leben, das ich führte, egal, wie es aussah.
»Bobby, Barney und ich gehen rein«, erklärte Mickey. »Dee bleibt draußen mit dem Funkgerät. Ned, für dich habe ich den bequemsten Job aufgehoben.«
Alles, was ich tun musste, war, durch Palm Beach zu düsen und in den Häusern mehrerer reicher Leute Alarm auszulösen. Alle Besitzer würden auf einem todschicken Wohltätigkeitsball im
Weitere Kostenlose Bücher