Die Pension Eva
beendet.
Als Giugiù das nächste Mal auf der Bank war, teilte der Kassierer ihm mit, dass der Cavaliere seine monatlichen Einzahlungen auf Giugiùs Konto eingestellt und diesen Monat kein Geld überwiesen habe. So kam es, dass Giugiù von einem Tag auf den anderen mittellos war.
Wie soll ich jetzt bloß die Hurenmarke bezahlen?, dachte er als Erstes.
Er bat seinen Freund Tano Gullotta um Hilfe, der ihm fünfhundert Lire lieh. Doch das reichte bei weitem nicht. Denn Giugiù wurde fast rasend vor Eifersucht, wenn er sah, dass andere Kunden sich mehr Zeit mit Lulla leisten konnten, während er mit Tano Gullottas Geld gerade mal in der Lage war, eine Marke pro Tag zu kaufen. Schließlich musste er auch etwas essen, denn sein Vater empfing ihn nicht mehr zu Hause. So saß er Tag für Tag auf dem Sofa des Salons, unrasiert und mit ungekämmtem Haar, und sah Lullas Kunden so böse an, dass sie sich bei Signora Flora beschwerten.
»Da vergeht einem ja die Lust!«
Signora Flora informierte Don Stefano Jacolino, der daraufhin eines Abends in die Pension kam, um Giugiù zu fragen, ob er mit ihm draußen ein Stück gehe.
»Wenn du in die Pension kommen willst, um deine halbe Stunde mit Lulla zu haben, dann ist das in Ordnung. Das steht dir frei. Aber ich verbiete dir von nun an, danach auch nur eine Minute länger im Salon zu bleiben. Geh nach Hause, ins Café oder sonst wohin, aber du bleibst nicht in der Pension. Hast du mich verstanden?«
»Durchaus. Aber was, wenn ich bleiben will?«
»Das ist dein Problem.«
Am nächsten Abend blieb Giugiù bis Feierabend in der Pension. Keiner sagte etwas. Doch als er gegen Mitternacht die Pension verlassen wollte, stellten sich ihm zwei Männer in den Weg, packten ihn und versetzten ihm eine gehörige Tracht Prügel. Giugiù wankte mit kaputten Knochen nach Hause, legte sich sofort ins Bett, und als er nicht einschlafen konnte, lag das nicht an den Schmerzen, sondern weil sich Lullas Duft unter der warmen Bettdecke ausbreitete. Er wollte sterben, so sehr fehlte sie ihm. Am nächsten Tag war er nicht in der Lage aufzustehen und blieb die ganze Zeit im Bett, um nachzudenken. Da kam ihm eine Idee, wie die ganze Sache ein gutes Ende finden würde.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Don Stefano Jacolino am nächsten Tag grinsend, als er Giugiùs verquollene Augen sah.
»Ich bin die Treppe runtergefallen.«
»Und wie kann ich dir helfen?«
»Ich bin gekommen, um Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
» Du willst mir einen Vorschlag machen? Na gut, ich höre.«
»Gesetzt den Fall, ich käme zu Ihnen und würde sagen, ich will Lulla ganz für mich allein. Wie viel würde das kosten?«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Don Stefano, wie viele Stunden arbeitet ein Mädchen pro Tag in der Pension? Sechs, oder? Von sechs Uhr nachmittags bis Mitternacht. Wenn ich eines der Mädchen nur für mich will, wie teuer kommt mich das?«
»Wieso fragst du mich das? Geh zu Signora Flora. Die Preise sind verhandelbar, wenn der Kunde länger als eine halbe Stunde bleiben will. Sprich mit ihr. Sag ihr, dass du Lulla für einen ganzen Tag willst, und dann sieh, wie viel …«
»Aber ich will Lulla nicht nur für einen Tag, ich will sie den ganzen Monat.«
Don Stefano war verblüfft.
»Und woher willst du das Geld dafür nehmen? Weißt du, wie viel ein Mädchen wie Lulla jeden Monat einbringt? Du machst dir ja keine Vorstellung!«
»Stimmt, deswegen bin ich zu Ihnen gekommen. Rechnen Sie es durch und sagen Sie mir dann, wie teuer es wird. Denn ob ich Lullas einziger Kunde bin, ist doch nicht wichtig, oder? Hauptsache, Sie bekommen Ihr Geld.«
»Da hast du im Prinzip recht. Aber ich verlange eine Vorauszahlung für den gesamten Monat. Und wenn das Geld nicht stimmt, wird Lulla auf der Stelle wieder andere Kunden empfangen, verstanden? Ich werde dir Bescheid geben, was du zu zahlen hast.«
Ein paar Tage später teilte Signora Flora Giugiù mit:
»Don Stefano sagt, dass ein Monat dich sechstausendvierhundert Lire kostet. Genau genommen würde ein Monat dich sechstausendvierhundertsechzehn Lire kosten, aber Don Stefano gibt dir einen Rabatt, weil du ihm sympathisch bist. Was soll ich ihm ausrichten?«
»Dass er das Geld in spätestens drei Tagen haben wird.«
Das war am vierundzwanzigsten Mai.
Ciccio und Nenè waren zwei Tage lang nicht in der Pension gewesen, weil sie für die Schule lernen mussten. Die Abiturprüfungen würden dieses Jahr ausfallen, und so hing von den während des
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