Die Pension Eva
waren. Er wollte die Sache schnell hinter sich bringen, denn für sein Bedürfnis war ein Mädchen so gut wie das andere. Sobald er Lullas Zimmer betreten hatte, stieg Giugiù dieser durchdringende, betörende Duft nach Minze, Zimt und Gewürznelken in die Nase. Es war ihm, als weiteten sich seine Lungen und als könnte er das Parfum förmlich auf der Haut spüren. Als er und das Mädchen sich geliebt hatten, wurde ihm klar, dass es äußerst schwer sein würde, diesen Duft wieder loszuwerden, der nun an ihm war, und zwar überall, an seinen Händen, seiner Brust und vor allem unterhalb des Bauchnabels.
»Wo kaufst du dieses Parfum?«
»Ich kaufe es nicht, ich stelle es selbst her.«
»Und woraus besteht es?«
»Aus getrockneten Kräutern. Vor zwei Jahren hat sie mir jemand gegeben, der mir auch beibrachte, wie man daraus Parfum gewinnt. Gott sei Dank hat mir ein Kunde letzten Monat eine Flasche Alkohol geschenkt. Er war mir ausgegangen, und in diesen Zeiten ist es doch so ungeheuer schwierig, welchen zu finden. Gehen wir hinunter?«
»Nein.«
Wieso hatte er nein gesagt? Er war doch bei der Familie seiner Verlobten zum Abendessen eingeladen! Sicher würde er zu spät kommen, wenn er sich nicht sofort auf den Weg machte.
Und er kam zu spät, auch weil er vorher bei sich zu Hause vorbeigehen und sich in die Wanne legen musste, um Lullas Duft abzuwaschen. Bevor er das Haus seiner Verlobten betrat, hob er seine Hand an die Nase. Immer noch nahm er deutlich das Parfum des Mädchens wahr.
Am nächsten Tag kehrte er zu Lulla zurück, und auch am folgenden Tag. Nach einer Woche gestand sie Giugiù, dass es ihr schwerfiel, mit anderen Männern zu verkehren, weil sie immer an ihn denken müsse. Und so fand Giugiù sich nun in der Pension ein, sobald diese öffnete, und war immer Lullas erster Kunde.
Wenn Lulla mit Giugiù zusammen gewesen war, fiel ihr die Arbeit danach leichter. Giugiù blieb nach seiner halben Stunde mit Lulla noch eine Weile im Salon sitzen. Ging ein Kunde mit ihr nach oben, sahen sich die beiden Verliebten in die Augen, Und obwohl Giugiù Lulla einen ermutigenden Blick zuwarf, ging sie die Treppe hinauf, als bestiege sie den Kalvarienberg.
Eines Abends kamen drei Fremde in die Pension, und man sah gleich, dass sie betrunken waren und in der Stimmung, sich zu prügeln. Einem Mädchen sagten sie, es habe krumme Beine; einem anderen riefen sie zu, dass es schiele, als hätte es ein Auge bei Christus und das andere beim heiligen Johannes. Der Kräftigste von den dreien winkte Lulla zu sich, steckte seine Nase zwischen ihre Brüste und brüllte, dass sie stinke wie ein Cannolo mit ranzigem Ricotta.
Giugiù schoss vom Sofa hoch und versetzte dem Kerl einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Die Nase des Mannes fing sofort an zu bluten. Während er sich fluchend ein Taschentuch vors Gesicht hielt, stürzten sich die beiden anderen auf Giugiù, zu dessen Schutz wiederum drei Kunden herbeieilten. Es endete in einer wüsten Schlägerei; die Mädchen flohen schreiend in die obere Etage. Cavaliere Lardera stellte sich aufs Sofa, schwenkte seinen Stock in der Luft und rief:
»Hört auf damit! Wir sind hier doch nicht im Puff!«
Signora Flora musste die Carabinieri rufen. Die nahmen Giugiù mit in die Kaserne und ebenso die drei Fremden. Nachdem der Maresciallo Giugiù eine zweistündige Standpauke gehalten hatte, wurde er freigelassen. Die Geschichte allerdings sprach sich schnell in der Stadt herum und kam auch dem Commendatore Gaetano Mongitore zu Ohren, dem Vater von Giugiùs Verlobter. Da er ein Mann mit strengen moralischen Grundsätzen war, ließ er Giugiù in seine Kanzlei rufen und teilte ihm mit, dass die Verlobung unwiderruflich aufgelöst sei und er seine Tochter nie und nimmer einem so verkommenen Manne zur Frau geben werde, einem, der verrufene Häuser besuche und sich sicherlich bereits mit irgendeiner Krankheit angesteckt habe.
»Sie können Ihre Tochter ruhig wiederhaben, ich hätte die Verlobung in den nächsten Tagen ohnehin aufgelöst. Ich bin in eine andere verliebt«, entgegnete Giugiù und verließ das Zimmer.
Es fehlte nicht viel, und den Notar hätte der Schlag getroffen. Kaum dass Giugiù gegangen war, ließ er Giugiùs Vater, den Cavaliere Antonio Firruzza, zu sich rufen, der noch höhere moralische Grundsätze als der Commendatore selbst hatte, ein entsetzlicher Langweiler vor dem Herrn.
»Ich weiß, dass das, was ich dir nun sagen werde, schrecklich für dich ist«, begann
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