Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
den Kranken, wie oben gesagt, zurückzulassen, daß dort alle am Leben blieben; während dort, wo beim Erkranken eines oder mehrerer Familienmitglieder das ganze Haus verschlossen worden war, die gesamte Familie zugrunde ging; und dann mußten die Totengräber hineingehen, um die Toten herauszuholen, und waren bald selber nicht mehr imstande, sie bis zur Tür zu schaffen, und schließlich war niemand mehr übrig, die Arbeit zu tun.
    (3.) Dies stellte es für mich außer Frage, daß das Unheil sich durch Ansteckung verbreitete; das heißt, durch bestimmte Dämpfe oder Dünste, die die Ärzte Effluvia nennen; sie gehen vom Atem aus oder vom Schweiß oder von dem Wundgeruch der Kranken, oder sie haben einen anderen Ursprung, der vielleicht sogar das Verstehen der Ärzte übersteigt; diese Effluvia ziehen einen Gesunden, der sich einem Kranken auf eine bestimmte Entfernung nähert, in Mitleidenschaft, sie dringen sofort in das Lebenszentrum des besagten Gesunden ein, versetzen sein Blut sogleich in Gärung und rühren seine Geister auf, bis zu dem Grad der Erregung, in dem wir die Kranken fanden; und so teilt ein neu Angesteckter die Krankheit auf die gleiche Art wieder anderen mit. Und hierfür werde ich einige Beispiele anführen, die auf jeden, der sie ernstlich erwägt, nicht anders als überzeugend wirken können; und ich kann mich über solche Leute nur wundern, die jetzt, wo die Seuche vorüber ist, davon sprechen, sie sei ein Schlag, der unmittelbar vom Himmel komme, und ohne das Dazwischentreten von Zweitursachen geschickt worden sei, diese oder jene einzelne Person zu treffen und keine andere; ich kann dies nur mit Verachtung als das Ergebnis offenbarer Unwissenheit und Überspanntheit ansehen; ebenso die Meinung anderer, die davon sprechen, daß die Ansteckung durch die Luft allein weitergetragen werde, indem sie ungeheure Mengen von Insekten und unsichtbaren Geschöpfen mit sich führe, die mit dem Atem in den Körper gelangten oder sogar mit der Luft durch die Poren eindrängen, wo sie durch Zeugung oder Ausscheidung sehr stark wirkende Gifte hervorbrächten oder giftige Keime oder Eier, welche sich mit dem Blut vermischten und so den Körper infizierten; eine Erklärung voll von gelehrter Einfalt, wie die allgemeine Erfahrung auf das deutlichste zeigt; aber ich werde an gegebener Stelle noch mehr darüber sagen.
    Ich muß hier erneut festhalten, daß nichts so folgenschwer für die Bewohner der Stadt war wie ihre eigene träge Nachlässigkeit, daß sie während der langen Vorankündigungs- und Warnzeit, die ihnen vor der Heimsuchung gegeben war, keine Vorkehrungen trafen, indem sie Vorräte von Lebensmitteln oder anderen Bedarfsgütern anlegten, was ihnen ermöglicht hätte, zurückgezogen in ihrem eigenen Hause zu leben, wie ich es von einigen berichtete, daß sie es taten, und die durch diese Vorsorge in weitem Maße bewahrt wurden; die Leute scheuten sich nicht einmal, nachdem sie erst ein wenig Gewöhnung hinter sich hatten, miteinander Umgang zu pflegen, wie sie es zu Anfang taten; nein, sie taten es, selbst wenn sie angesteckt waren und es wußten.
    Ich gebe zu, ich war einer dieser Gedankenlosen, der so wenig vorgesorgt hatte, daß meine Hausgehilfen genötigt waren, jede Kleinigkeit um Pfennig und Groschen draußen einkaufen zu gehen, so wie es früher immer gewesen war; und auch als mich die Erfahrung lehrte, wie töricht das war, begann ich mit dem Klügerwerden so spät, daß ich kaum Zeit hatte, mich mit einem Monatsvorrat für unseren gemeinsamen Verbrauch einzudecken.
    Ich hatte in meiner Hausgemeinschaft nur eine alte Frau, die die Wirtschaft besorgte, ein Dienstmädchen, zwei Lehrlinge und mich selber; und als die Pest rundherum zuzunehmen anfing, machte ich mir oft trübe Gedanken darüber, welchen Weg ich wohl einschlagen und wie ich mich verhalten sollte. Die vielen grausigen Bilder, die ich überall, wenn ich durch die Straßen ging, zu sehen bekam, hatten mich mit einem großen Maß von Entsetzen erfüllt, und sei es aus Furcht vor der Seuche, die in der Tat schon entsetzensvoll an sich war, bei manchen mehr als bei anderen. Die Schwellungen, die gewöhnlich am Hals oder an den Lenden auftraten, waren, wenn sie hart wurden und nicht aufgehen wollten, so schmerzhaft, daß es der ausgesuchtesten Marter gleichkam; und manch einer, nicht mehr imstande, die Qual zu ertragen, stürzte sich aus dem Fenster oder erschoß sich oder machte sonstwie seinem Leben ein Ende, und ich erlebte

Weitere Kostenlose Bücher