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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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um hindurchzusteigen. Im Dunkel dahinter war auch von hier aus nichts zu erkennen, und in den nach unten geneigten Fenstern spiegelte sich lediglich der Schnee wider.
    Travis holte tief Luft und schrie: «Hallo? Ist hier jemand?»
    Das Echo seiner Stimme hallte vernehmlich im Tal wider. Eine andere Antwort erhielt er nicht.
    Er ging auf die Öffnung zu, prüfte die Stabilität des Metalls zu beiden Seiten und zog sich dann in das Flugzeug hinauf.
    Es war keine gewöhnliche Linienmaschine.

3
    Der Innenraum, in dem Travis sich befand, enthielt etliche Computerarbeitsplätze, eine Reihe hinter der anderen, eine Art klaustrophobische Version des Flugkontrollzentrums der NASA, die vom Flugzeugheck bis zu einerTrennwand etwa zehn Meter vor ihm reichte. Die vor den Rechnern am Fußboden verschraubten Drehstühle befanden sich noch an Ort und Stelle; ansonsten bot die Kabine ein Bild der Verwüstung, demolierte Ausrüstung aller Art türmte sich an der linken, nach unten geneigten Wand.
    Der unverändert intensive Kerosingeruch wurde hier von etwas anderem überlagert. Von einem vertrauten, stechenden Geruch. In der Dunkelheit, die von grellem Licht durchsetzt war, das durch die Fenster hereinfiel und das Sehen weiter erschwerte, hatte er den Geruch bereits identifiziert, bevor er gleich darauf seinen Ursprung entdeckte.
    Blut. Lachen von Blut inmitten des Durcheinanders von Trümmern. Direkt unter seinen Füßen.
    Spontan überkam ihn Übelkeit. Er wandte sich zu dem Riss in der Wand um, steckte den Kopf ins Freie hinaus und atmete im Kerosindunst tief durch. Das half sogar. Er riss sich mit aller Macht zusammen und kehrte dann, flach atmend, wieder in die Kabine zurück.
    Zum Schutz gegen das blendende Licht hielt er sich eine Hand über die Augen und spähte in dem Durcheinander suchend umher. Er wusste ja schon, worauf er gefasst zu sein hatte.
    Er entdeckte sie sofort.
    Ein Dutzend Leichen, die inmitten der Trümmer lagen.
    Oder vielmehr, das war merkwürdig, auf den Trümmern.
    Er trat näher, sah den Grund dafür und spürte ein eisiges Gefühl im Magen, wo eben noch Übelkeit gewesen war. Diese Leute waren nicht bei dem Absturz ums Lebengekommen. Ausnahmslos alle Opfer waren mit zwei Schüssen in die Schläfe, einer dicht neben dem anderen, getötet worden.
    Travis hielt inne und lauschte angestrengt nach Geräuschen in dem Wrack. Der oder die Killer, das sagte ihm die Logik, konnten sich nicht mehr an Bord befinden. Das Flugzeug war vor drei Tagen abgestürzt. Die Morde waren vermutlich kurz darauf verübt worden. Für die Mörder gab es keinen Grund, bei der Maschine zu bleiben, dafür aber jede Menge Gründe, sich abzusetzen.
    Trotzdem verhielt er sich weitere zehn Sekunden lang absolut still, hörte jedoch lediglich den Wind, der durch das Tal fuhr und in den Rissen des Flugzeugwracks heulte. Ein Totengesang, irgendwie ganz passend.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Toten zu. Sie trugen Uniformen: schwarze Hosen und hellblaue Hemden, nicht direkt Militäruniformen, aber auf keinen Fall Zivilkleidung. Rangabzeichen oder Ähnliches waren nicht zu entdecken, und selbst ihre Nationalität konnte nur erahnt werden: Neun der Toten waren weiß, drei schwarz. Es waren sieben Männer und fünf Frauen. Die Leichen waren bereits stark aufgedunsen, daher war ihr Alter schwer zu bestimmen, aber Travis schätzte, dass sie zwischen dreißig und fünfzig Jahre alt gewesen waren.
    Etwas, das ihm außen am Flugzeug aufgefallen war, dem er in der Aufregung aber zunächst keine Beachtung geschenkt hatte, wurde ihm auf einmal deutlich bewusst: Die Maschine trug keinerlei Aufschrift. Nicht einmal eine Hecknummer hatte er gesehen.
    Was war das für ein Flugzeug?
    Aus Sendungen, die spätnachts über den
Discovery Channel
flimmerten, wusste er natürlich, dass die Regierungüber spezielle Flugzeuge für Krisenzeiten verfügte – fliegende Kommandoposten für den Notfall, falls etwa Befehlszentralen wie das Pentagon bei einem Erstschlag ausgeschaltet werden. «Doomsday-Flugzeuge», so wurden sie genannt. Milliarden Dollar an Steuergeldern, die, das gebe Gott, hoffentlich für alle Zeit umsonst aufgewendet worden waren.
    Doch falls es sich hier um ein solches Doomsday-Flugzeug handelte, war es da nicht umso widersinniger, dass es bisher nicht gefunden worden war?
    Nun, irgendwer hatte es aber schon gefunden, nicht wahr?
    Travis richtete sich auf und ließ seinen Blick nochmals über die Hingerichteten und die Rechner schweifen,

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