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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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betrachtet, sieht man Kühe und Bäume und alle möglichen Strukturen. Betrachtet man aber einen Baum aus hinreichend großer Nähe, sieht man nichts als eine gleichmäßig grüne Fläche, ein Pixel. Ein wirklicher Baum würde in dieser Größenordnung immer noch ins Einzelne gehende Strukturen aufweisen – sagen wir, Blätter und Zweige –, doch auf dem Bild sind alle diese Details zum selben Grünton verwischt.
    Wenn bei dieser Näherung die »Ordnung« unterhalb der Rasterung erst einmal verschwunden ist, kann sie nie wiederkommen. Wenn ein Pixel erst einmal verwischt ist, kann man es nicht wieder »ent-verwischen«. Im wirklichen Universum ist das jedoch manchmal möglich, denn im wirklichen Universum geht die Bewegung innerhalb der Kästchen weiter, und ein verwischter Mittelwert ignoriert diese Einzelheiten. Modell und Wirklichkeit sind also unterschiedlich . Außerdem behandelt die in diesem Modell verwendete Annahme vor- und rückwärts gerichtete Zeit asymmetrisch. In der vorwärts gerichteten Zeit kann ein Molekül, wenn es erst einmal ins Kästchen gelangt ist, nicht mehr entweichen. In der Zeitumkehrung dieses Modells kann es hingegen aus dem Kästchen entweichen, aber niemals hineingelangen, wenn es nicht von Anfang an darin war.
    Diese Erklärung macht deutlich, dass der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik keine echte Eigenschaft des Universum ist, sondern nur eine Eigenschaft einer näherungsweisen Beschreibung. Ob die Näherung nützlich ist oder nicht, hängt also vom Kontext ab, in dem sie verwendet wird, nicht vom Inhalt des Zweiten Hauptsatzes. Und die dabei verwendete Näherung zerstört jeden Bezug zu Newtons Gesetzen, die unlöslich mit jenen feinen Einzelheiten verknüpft sind.
    Nun hat, wie gesagt, Shannon dasselbe Wort »Entropie« für sein Maß von jener Struktur verwendet, die von statistischen Mustern in eine Informationsquelle eingeführt wird. Er tat es, weil die mathematische Formel für seine Entropie exakt wie die Formel für das thermodynamische Konzept aussieht. Ausgenommen ein Minuszeichen. Die thermodynamische Entropie sieht also wie negative Shannon’sche Entropie aus; das heißt, thermodynamische Entropie kann als »fehlende« Information interpretiert werden. Viele Artikel und Bücher sind auf der Grundlage dieser Beziehung geschrieben worden – indem sie beispielsweise den Zeitpfeil dem Verlust von Information im Universum zuschreiben. Wenn man alle feinen Einzelheiten in einem Kästchen durch den verwischten Mittelwert ersetzt, verliert man die Information über diese Einzelheiten. Und wenn sie erst einmal verloren ist, kann man sie nicht wiedergewinnen. Volltreffer: Die Zeit fließt in die Richtung des Informationsverlustes.
    Die hier angenommene Beziehung ist jedoch unecht. Ja, die Formeln sehen gleich aus … doch sie gelten in sehr unterschiedlichen Kontexten, die nichts miteinander zu tun haben. In Einsteins berühmter Formel, die Masse und Energie in Beziehung zueinander setzt, steht das Symbol c für die Lichtgeschwindigkeit. Im Satz des Pythagoras vertritt derselbe Buchstabe die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks. Die Buchstaben sind dieselben, doch niemand erwartet, sinnvolle Schlüsse daraus ziehen zu können, dass er die Hypotenuse mit der Lichtgeschwindigkeit identifiziert. Die vermeintliche Beziehung zwischen der thermodynamischen Entropie und negativer Information ist natürlich nicht derart albern. Nicht ganz .
    Wie schon gesagt, ist die Wissenschaft kein feststehender Korpus von »Tatsachen«, und es gibt unterschiedliche Meinungen. Die Beziehung zwischen Shannon’scher Informationsentropie und thermodynamischer Entropie ist solch ein Fall. Ob es Sinn hat, die thermodynamische Entropie als negative Information zu betrachten, ist seit vielen Jahren ein Streitpunkt. Die wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheiten dauern heute noch an, und veröffentlichte, von Experten begutachtete Artikel anerkannter Wissenschaftler widersprechen einander glatt.
    Was hier geschehen zu sein scheint, ist eine Verwechslung zwischen einem formalen mathematischen Ansatz, in dem »Gesetze« für Information und Entropie festgestellt werden können, und einer Reihe physikalischer Eingebungen über die heuristische Interpretation jener Konzepte, sowie fehlendes Verständnis für die Rolle des Kontexts. Es wird viel mit der Ähnlichkeit zwischen den Entropieformeln in der Informationstheorie und der Thermodynamik operiert, der Kontext, in dem diese Formeln gelten, wird

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