Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Klumpenbildung durch die Gravitation zeigt. Es erscheint sogar plausibel, dass eines Tages ein geeignetes Maß für gravitative Komplexität definiert werden könnte, analog der thermodynamischen Entropie, aber unterschiedlich – nennen wir es zum Beispiel »Gravtropie«. Dann könnten wir vielleicht mathematisch einen »zweiten Hauptsatz der Gravitationsdynamik« ableiten, der aussagt, dass die Gravtropie eines gravitativen Systems im Laufe der Zeit zunimmt . Beispielsweise könnte die Gravtropie vielleicht die fraktale Dimension (der »Grad der Feinstrukturierung«) des Systems sein.
    Obwohl die Rasterung sich auf diese beiden Typen von Systemen in gegensätzlicher Weise auswirkt, würden beide »zweiten Hauptsätze« – der thermodynamische und der gravitative – ziemlich gut unserem Universum entsprechen. Der Grund ist, dass beide Gesetze so formuliert wurden, dass sie dem entsprechen, was wir tatsächlich in unserem Weltall beobachten. Dennoch würden trotz dieser offensichtlichen Übereinstimmung die beiden Gesetze für drastisch unterschiedliche physikalische Systeme gelten: das eine für Gase, das andere für Systeme von Teilchen, die sich unter dem Einfluss der Gravitation bewegen.
    Nachdem wir diese beiden Beispiele für den Missbrauch von informationstheoretischen und von damit in Verbindung gebrachten thermodynamischen Prinzipien hinter uns haben, können wir uns der faszinierenden Überlegung zuwenden, das Universum bestehe aus Information.
    Ridcully hatte erwartet, dass Ponder Stibbons sich auf »Quanten« berufen würde, um etwas wirklich Bizarres wie das Verschwinden der Muschelberg-Leute zu erklären. Die Quantenwelt ist wahrlich bizarr, und es ist immer eine Versuchung, sich darauf zu berufen. Mehrere Physiker haben sich bemüht, Sinn in das Quantenuniversum zu bringen, indem sie vorschlugen, alle Quantenphänomene (also schlechthin alles) auf das Informationskonzept zurückzuführen. John Archibald Wheeler hat den Ausdruck »It from Bit« (»Es aus dem Bit«) geprägt, um diese Idee zu erfassen. Kurz gesagt ist jedes Quantenobjekt von einer endlichen Anzahl von Zuständen gekennzeichnet. Der Spin eines Elektrons beispielsweise kann zwei Richtungen haben, entweder »up« oder »down«. Der Zustand des Universums ist daher eine riesige Liste von Ups und Downs und komplizierteren Quantitäten derselben allgemeinen Art: eine sehr lange Binärnachricht.
    So weit ist das ein schlauer und (wie sich erweist) nützlicher Weg, die Mathematik der Quantenwelt zu formalisieren. Der nächste Schritt ist strittiger. Alles, was wirklich zählt, ist diese Nachricht, die Liste von Bits. Und was ist eine Nachricht? Information. Schlussfolgerung: Der wahre Stoff des Universums ist rohe Information. Alles andere besteht daraus, gemäß den Quantenprinzipien. Ponder würde dem zustimmen.
    Die Information nimmt solcherart einen Platz in dem kleinen Pantheon vergleichbarer Konzepte – Geschwindigkeit, Energie, Impuls – ein, die den Übergang von einer bequemen mathematischen Fiktion zur Wirklichkeit vollzogen haben. Physiker wandeln ihre technisch nützlichsten mathematischen Konzepte gern in wirkliche Dinge um: Wie auf der Scheibenwelt reifizieren sie das Abstrakte. Es schadet nicht physikalisch, wenn man die Mathematik derart ins Universum »zurückprojiziert«, doch es kann philosophisch schaden, wenn man das Ergebnis wörtlich nimmt. Dank einem ganz ähnlichen Vorgang behaupten geistig durchaus gesunde Physiker heute beispielsweise, unser Universum sei nur eins von Billionen, die in einer Quanten-Überlagerung existieren. In einem davon sind Sie heute Morgen aus dem Haus gegangen und von einem Meteoriten erschlagen worden; in dem, wo Sie dieses Buch lesen, ist das nicht geschehen. »Gewiss doch«, beteuern sie, »jene anderen Universen existieren tatsächlich . Wir können Experimente durchführen, um es zu beweisen.«
    Keineswegs.
    Übereinstimmung mit einem experimentellen Ergebnis beweist nicht, ja zeigt nicht einmal, dass eine Erklärung gültig ist. Das »Viele-Welten«-Konzept, wie es genannt wird, ist in seinem eigenen Rahmen eine Interpretation der Experimente. Doch jedes Experiment hat viele Interpretationen, von denen nicht alle das sein können, »was das Universum wirklich tut«. Beispielsweise können alle Experimente als »Gott hat es geschehen lassen« interpretiert werden, doch ebenjene Physiker würden bestreiten, dass ihr Experiment die Existenz Gottes beweist. Damit haben sie Recht: Es ist nur

Weitere Kostenlose Bücher