Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
1
S ie sind frei.
Vor ein paar Wochen geisterten diese Worte durch meinen Kopf. Wenn man den Zusammenhang nicht kennt, klingt das eigentlich nach einem erfreulichen Satz.
Freiheit ist doch etwas Gutes, nicht wahr?
Es sei denn, es ist von Dämonen die Rede.
Die Welt ist voll von ihnen, diesen sogenannten Nephilim. Sie sind die Nachkommen von gefallenen Engeln (oder Grigori) und Menschenfrauen.
Ja, die Engel sind wirklich gefallen. Und nicht gerade weich gelandet. Ihre Geschichte ist das beste Beispiel für das, was passieren kann, wenn man sozusagen aus der biblischen Reihe tanzt – sich mit Gott anlegt und dann auch noch im Tartarus Ärger macht, diesem feurigen Schlund in den tiefsten Tiefen der Hölle.
Es heißt, Gott sandte die Grigori auf die Erde, damit sie ein Auge auf die Menschen haben. Dann stellte sich jedoch heraus, dass es wohl eher die Engel waren, auf die man achtgeben musste. Also verbannte Gott sie von der Erde – schwups, jetzt seid ihr Geschichte! Doch er ließ ihre Nachkommenschaft zurück, um uns zu prüfen. Das Paradies ist bloß noch Erinnerung. Wir haben gezeigt, dass wir es nicht verdienen. Aber die Nephilim haben wir, glaube ich, auch nicht verdient.
Eine Million Millennien später: Die Prophezeiungen der Offenbarung rasen wie durchgehende Pferde auf uns zu. Etwa vier Stück davon, schätze ich. Die Mächte des Guten versuchen alles, um das Ende der Welt zu verhindern – aber nichts funktioniert.
Und an diesem Punkt komme ich ins Spiel.
Elizabeth Phoenix, für meine Freunde Liz. Man nennt mich die Anführerin des Lichts. Ich bin mitten in diesem ganzen Höllenchaos um das Jüngste Gericht gelandet – und habe nun alle Hände voll damit zu tun, wieder herauszukommen.
Aus Gründen, die meine und unser aller Vorstellungskraft übersteigen, hat sich der Tartarus aufgetan. Die Grigori haben sich befreien können, und jetzt ist hier buchstäblich die Hölle los.
„Verdammt, Lizzy! Duck dich!“
Ich duckte mich. Rasiermesserscharfe Klauen rauschten durch die Luft, genau dort, wo gerade noch mein Gesicht gewesen war. Ich duckte mich nicht nur, sondern rollte auch zur Seite weg. Und das war mein Glück, denn Sekunden später zerschnitt direkt neben mir irgendetwas die Erde.
Ich bin zusammen mit Jimmy Sanducci, der Anführer der Dämonenjäger und mein Stellvertreter ist, nach Los Angeles gekommen, um ein Nest von Varcolacs aufzuspüren – das sind Dämonen der Sonnen- und Mondfinsternisse. Bei uns sind sie ziemlich selten, denn sie kommen aus Rumänien, aber ich habe auch schon weit Merkwürdigeres gesehen.
Man hätte natürlich den Smog in L.A. für die dunklen Flecken verantwortlich machen können, die immer wieder auf dem Mond und der Sonne auftauchten. Das war jedenfalls die Version, die hier jeder glaubte. Doch ich wusste es natürlich besser.
Der Varcolac schüttelte seinen Arm und versuchte, die nadelartigen Auswüchse, die ihm als Finger dienten, vom Wüstenstaub zu befreien. Varcolacs sind halb Mensch, halb Drache, und man sagt ihnen nach, dass sie die Sonne und den Mond essen und so die besagten Finsternisse verursachen. Und wenn es ihnen jemals gelänge, diese Himmelskörper ganz zu verschlingen, dann sei das Ende der Welt nah. Da ich aber genau das verhindern wollte, hatte ich Jimmy nach L.A. geschleppt, und die Jagd hatte begonnen.
Bevor der Varcolac seinen anderen Arm dazu benutzen konnte, mich zu töten, schnitt ihm Sanducci die Kehle durch. Im Kampf gegen Nephilim ist das Abschlagen des Kopfes in der Regel ziemlich wirkungsvoll. Zumindest büßt ohne Kopf selbst der entschlossenste Dämon einiges an Geschwindigkeit ein.
Jimmys düsterer Blick traf meinen. „Steh auf!“, befahl er, bevor er sich daranmachte, noch mehr von diesen Biestern zu erledigen.
Ich versuchte die Kälte in seinem Blick zu ignorieren. Sanducci würde niemals zulassen, dass mir etwas zustieß. Er hatte mich früher mal geliebt. Jetzt allerdings war die Liebe zwischen uns kein Thema mehr – und nur ich allein war daran schuld.
Ich sprang mit einer einzigen flinken Bewegung aus der Rückenlage auf die Füße – diese sportliche Begabung, die mir damals auf der Highschool eine hübsche Medaille für die Landesmeisterschaft im Schulturnen eingebracht hatte, war in letzter Zeit ziemlich nützlich geworden – und dann griff ich nach meinem Schwert und machte mich wieder ans Zerstückeln.
Als Jimmy und ich in L.A. angekommen waren, hatten wir eine ganze Weile gebraucht, um die Varcolacs
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