Die Pilgergraefin
von der Schwangeren ab, schüttelte den Kopf, auf dem eine schmutzige Haube saß, und krümmte den dürren Zeigefinger. „Wie Ihr wollt, hohe Frau. Ich muss mich Eurem Befehl beugen. Doch seid gewahr, wenn ich Eurer Schwester, der edlen Freiin von Tanneck, nicht beistehen darf, müsst Ihr mit dem Schlimmsten rechnen.“
Leonor, die selbst nicht unter den Praktiken einer solchen Wehmutter hatte leiden müssen, schüttelte stolz den Kopf. „Wir lassen dich rufen, wenn wir deine Dienste benötigen. Doch bis dahin will ich mich selbst um Madame Cathérine kümmern.“ Sie fragte sich, wieso ihr Schwager, der wohlhabende Freiherr von Tanneck, es zuließ, dass eine solche Vettel die Hebamme seiner Gemahlin war, und nahm sich vor, ihn so bald wie möglich darauf anzusprechen. Auch schien es ihr seltsam, dass der Schwager für den Abend die Honoratioren der Stadt zu einem Festmahl geladen hatte, obwohl es seiner jungen Gattin so schlecht ging. Besaß er denn kein Feingefühl? Oder war sie ihm gar gleichgültig? Sobald es Cathérine besser geht, werde ich sie danach fragen, beschloss Leonor.
Vor sich hin murmelnd verließ Agatha schlurfenden Schrittes die Kammer.
„Mir ist so heiß“, hauchte Cathérine.
„Mir auch“, bestätigte Leonor. „Ich öffne jetzt das Fenster.“
„Oh ja, das ist gut. Sonst ersticke ich noch. Und bitte, nimm eines der Federbetten weg.“
„Sofort, aber erst einmal lasse ich frische Luft herein.“
Obwohl Leonor wusste, dass es seit alters her Brauch war, die Läden zu schließen und so alles Böse auszusperren, war sie entschlossen, diese Sitte zu missachten. Sie ging zum Fenster, zerrte die schweren Stoffbahnen zur Seite, öffnete die bleiverglasten Scheiben und stieß die Läden auf. Doch anstatt eines kühlen Windzuges schlug ihr nur brütende Hitze ins Gesicht. Kein Lüftchen regte sich, der Himmel war bleigrau, und in der Ferne ertönte das erste Grollen eines sich nähernden Gewitters.
Ein schlechtes Omen?
Hoch bäumte Cathérine sich in ihrem Bett auf und stieß einen herzzerreißend klagenden Laut aus. Ein weiterer Tag war vergangen, und noch immer war ihre Schwester nicht niedergekommen.
„Alles wird gut, du wirst sehen!“ Wieder und wieder strich Eleonore über die schweißnasse Stirn der Gebärenden. Dann umfasste sie liebevoll deren verkrampften Hände. Sie wusste, eigentlich hätte sie die Wehmutter in dieser schweren Stunde rufen lassen sollen, doch in Anbetracht der schmutzigen Hände der alten Frau war sie entschlossen, Cathérine allein beizustehen. Ihren Schwager hatte sie in der Angelegenheit noch nicht sprechen können – es hieß, er fühle sich seit den frühen Morgenstunden nicht wohlauf und sei unpässlich –, und so versuchte sie, sich an alles zu erinnern, was die Hebamme während der Geburt von Konradin vor nunmehr fast zwei Jahren gesagt und getan hatte. Sie wünschte, ihre getreue Kammermagd Anna wäre jetzt an ihrer Seite, doch da diese nie verheiratet gewesen war und keine Kinder hatte, besaß sie kein Wissen über Geburt und Niederkunft. Und so hatte sie die Gute mit dem Auftrag losgeschickt, sich für den Notfall nach einer anderen, reinlicheren Wehmutter umzuschauen.
Sie warf einen Blick auf den Gebärstuhl, der in einer Ecke der Schlafkammer stand, kam jedoch zu dem Schluss, dass ihre Schwester zu geschwächt war, um es bis dorthin zu schaffen.
„Presse, Cathérine, presse. Nimm all deine Kraft zusammen!“
„Es tut so weh“, flüsterte die junge Frau. „Ich habe keine Kraft mehr.“
„Doch, die hast du, glaube mir. Denk nur daran, wie glücklich du sein wirst, wenn du dein Kind erst im Arm hältst.“
Cathérine krallte die Finger in das Leintuch, als eine neue Wehe sie durchfuhr. Der Schmerz war so heftig, dass es ihr vorkam, als habe man ihr einen Dolch in den Leib getrieben.
Leonor betrachtete sie voller Mitleid. So zerbrechlich und verletzlich wirkte sie. „Es wird jetzt nicht mehr lange dauern, liebste Schwester“, versicherte sie tröstend. „Atme tief durch, das lindert ein wenig den Schmerz.“ Ach, könnte sie doch mehr für Cathérine tun! Voller Inbrunst betete sie zur Muttergottes für eine schnelle Niederkunft.
„Es ist ein Mädchen, edler Herr“, meldete Hedwig, Cathérines Kammerfrau, dem Freiherrn von Tanneck freudestrahlend. „Kommt, schaut sie Euch an. Sie hat das dunkle Haar Eurer Gemahlin.“
Heinrich fuhr sich über die Stirn. Schon seit dem gestrigen Gastmahl mit den wichtigsten Honoratioren und
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