Die Plastikfresser
Einwirkungen. Ich möchte, daß du rübergehst, Luke, dir die Sache in Ruhe ansiehst und eine Probe für einen Test mitbringst.«
»Bin schon unterwegs.« Gerrard stand auf und ging auf die Tür zu.
»Ach, und nimm doch auch deinen Wagen mit. Ich weiß, daß Anne verdammt dankbar wäre, wenn du sie anschließend nach Hause fahren würdest.«
Als Gerrard an der Tür stand, kam Betty mit einer Flasche und einigen Gläsern auf dem Tablett herein. Er trat zur Seite, um sie vorbeizulassen. Buchan stand zum erstenmal an diesem Tag auf und half Betty mit dem Tablett, sein Blick richtete sich voll auf die große grüne Flasche. Na schön, dann bietet ihr mir eben nichts zu trinken an, dachte Gerrard. Mir ist kanadischer Whisky sowieso lieber. Er schritt durch den Korridor, durch den Ausgang und in den Regen.
Während er auf dem Weg zum Kaufhaus Barrat sich durch die vom vorweihnachtlichen Verkehr verstopften Straßen quälte, dachte Gerrard über Anne Kramer nach.
Zweimal war er ihr begegnet. Das erstemal in Kramers Haus an seinem ersten Abend in London, und das zweite Mal, einige Wochen später, in Kramers Beratungsfirma. Nur zwei Begegnungen, aber das genügte, um zu wissen, daß sie ihm mehr bedeutete als jede andere Frau seit Jahren. Er trat hart auf die Bremse und schleuderte, bevor er nur wenige Zentimeter hinter einem Taxi zum Stehen kam, das vor ihm eingebogen war. Das Taxi fuhr unbekümmert weiter, und Gerrard, der sich inzwischen an die abgasgeschwängerten Verstopfungen des Londoner Verkehrs gewöhnt hatte, maß dem Vorfall keine Bedeutung bei, und dachte weiter über Anne nach. Anne beunruhigte ihn.
Anne Kramer war auf jeden Fall eine schöne Frau. Großgewachsen, mit dichtem, dunkelbraunem Haar, großen, haselnußbraunen Augen und einer leicht bräunlichen Hautfarbe. Sie verfügte über eine elegante, gelöste Haltung, auf die er sich nur schwer einstellen konnte, und die er ihrer vornehmen, britischen Erziehung zuschrieb, wie er es bezeichnete. In ihren Mundwinkeln lag immer die Andeutung eines Lächelns und in ihrem Blick – vielleicht – die Andeutung einer Herausforderung. Wer sie ansah, konnte sich ihre Tüchtigkeit als Interviewerin vorstellen, wenn man auch vielleicht nicht gleich erriet, daß sie zu den führenden Wissenschaftsjournalistinnen des Landes gehörte.
Mit Männern verstand sie gewiß gut umzugehen, das war offensichtlich. Sie hatte die Gabe, jedem Mann, der ihr begegnete, das Gefühl zu geben, sie sei an ihm persönlich interessiert. Das kann ein Berufstrick sein, dachte Gerrard, aber wenn – dann ist es ein verdammt guter.
Gerrard ging normalerweise recht zynisch mit Frauen um. Die zerbrochene Ehe, die Nachwehen, und eine Reihe flüchtiger, ungemütlicher Affären hatten ihn gegenüber jeder ernsthaften Verbindung mißtrauisch gemacht. Vielleicht hatte er nach der Scheidung zu eifrig nach einer Frau gesucht, vielleicht war seine Haltung etwas hungrig und zu übereilt gewesen. Auf jeden Fall hatten sich seine Kontaktversuche durch eine bemerkenswerte Erfolglosigkeit ausgezeichnet. Eine flüchtige Bekanntschaft, eine Nacht im Bett – ja, wenn das der Erfolg war. Er war groß und sah eher interessant aus als im üblichen Sinne hübsch, und in seinem Gesicht war ein gewisser gewalttätiger Zug, der Frauen ansprach. Aber keine, so schien es, suchte eine dauerhafte Verbindung mit ihm.
Gerrard schreckte auf, als er feststellte, daß er sein Ziel erreicht hatte, ein kleiner baumbestandener Platz gleich hinter dem Kaufhaus Barrat. Ein Bentley steuerte aus einem der wenigen Parkplätze heraus.
Als der Bentley davonrollte, versuchte er seinen Citroen in den freigewordenen Platz zu manövrieren und bemerkte dabei den Mini nicht, der sich raubvogelhaft hinter ihm herangepirscht hatte und ihm nun den Parkplatz streitig machen wollte. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren und einem strahlenden Lächeln saß am Steuer. Gerrard dachte, sie wolle weiterfahren, und er winkte sie heran, aber sie glitt auf die Parklücke zu. Erbost kuppelte Gerrard mit einem Ruck den Rückwärtsgang ein, und einen Augenblick lang fand ein Zweikampf der Willensstärke statt, als beide Wagen mit Kollisionskurs aufeinander zufuhren. Abrupt trat das Mädchen auf die Bremse und setzte mit eisigem Gesicht zurück. Er übernahm den Parkplatz, seine Reifen berührten nur leicht die Bordsteinkante. Er stieg aus, warf ein paar Münzen in die Parkuhr und lief über den Platz ins Kaufhaus.
Bei Barrat drängten sich die
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