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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sind, sind wir in der Öffentlichkeit und spielen unsre Rolle.«
    »Gut, gut, Sophie. Du sollst recht haben; ich will es glauben. Aber der junge Klessentin. Was spielt er denn eigentlich? Ich habe doch noch nie von ihm gelesen.«
    »Er hat immer nur ganz kleine Rollen und nannte auch ein paar. Aber, was einen trösten kann, er setzte gleich hinzu, das mache keinen rechten Unterschied, und die kleinen Rollen, auf die käm es mitunter auch an, geradesogut wie auf die großen. Und alles, was er sagte, klang so nett und so zufrieden und so voll guter Laune, daß Onkel Eberhard ganz eingenommen von ihm war und ihn beglückwünschte.«
    »Ja, das glaub ich. Der gute Onkel ist eine Seele von Mann und kann das Wichtigtun und das Auf-Stelzen-Gehen nicht leiden, und wenn einer sagt: ›Ich bin fürs Kleine‹, der hat gleich sein Herz gewonnen. Er mag's nicht, wenn die Menschen sich aufblasen und so tun, als ob sie ohne Atlastapeten nicht leben konnten. Er ist für seine Person beinahe bedürfnislos und mit allem zufrieden, und deshalb will ich ihn auch bitten, heute mittag mit uns fürliebzunehmen. Denn ich denke doch, daß er noch mit herankommt. Was können wir ihm denn wohl vorsetzen? Du hast ja die Woche, Sophie; was meinst du?«
    »Nun, ich meine: Weißbiersuppe mit Sago, die hat ihm das vorige Mal so gut geschmeckt. Und dann haben wir noch eine kleine Schüssel Teltower Rüben und können von der Spickgans aufschneiden.«
    »Das wird nicht gehen«, sagte Therese. »Die Spickgans ist aus Adamsdorf, von der Tante.«
    »Tut nichts. Spickgänse kann man nicht unterscheiden. Und wenn er es merkt, ist es eigentlich eine kleine Aufmerksamkeit. Und als dritten Gang denk ich mir dann Sahnenbaisers von Konditor Eschke drüben. Und dann Butterbrot und Käse.«
    Die Mutter, die das Ganze nur als eine symbolische Handlung ansah und sehr wohl wußte, daß der Onkel vorher gefrühstückt haben würde, war mit diesem Menü zufrieden und verlangte nur noch, daß die Töchter, die noch nachträgliche Neujahrsvisiten in der Stadt zu machen hatten, um spätestens zwei Uhr wieder zu Hause wären, weil es sonst zu spät würde. Bis dahin wollte sie den Onkel schon festhalten.
    Und nachdem auf diese Weise alles geordnet war, räumte man den Kaffeetisch ab und begab sich in das Hinterzimmer, um da für die noch ausstehenden Besuche die nötige Toilette zu machen.
     
    Alle drei Schwestern verließen gleichzeitig die Wohnung, um vom Botanischen Garten aus die Pferdebahn zu benutzen, deren »Zonentarif« sie sehr genau kannten. Die alte Majorin, als alles ausgeflogen, ging nun auch ihrerseits an ihre »Restituierung« und war kaum damit fertig, als sie draußen auf dem Vorflur ein ziemlich lautes und gemütliches Sprechen hörte, das keinen Zweifel darüber ließ, daß der Schwagergeneral gekommen sein müsse.
    »Guten Morgen, Albertine. Verzeih, daß ich etwas früh komme, aber, wie ich sehe, doch nicht zu früh. Alles schon blink und blank, alles schon in full dress, wenn man dies von einer Dame sagen kann; ›full dress‹ ist nämlich eigentlich wohl männlich und heißt, glaub ich, soviel wie Frack oder Schniepel. Früher sagte man Schniepel.«
    »Ach, Eberhard, du meinst es gut und hast immer ein freundliches Wort und siehst es auch gleich, daß ich mir meine Staatshaube mit einem neuen Band aufgesetzt habe. Aber mit mir ist Spiel und Tanz vorbei.«
    »Nicht vorbei, Albertine. Immer noch eine propre Frau. Und du bist ja noch keine sechzig. Aber wenn auch. Was sind Jahre? Jahre sind gar nichts. Sieh mich an. Eben kam ein Bataillon von eurem Eisenbahnregiment an mir vorbei – ich sage ›von eurem‹, denn ihr habt es ja hier in eurer Straße –, und ich kann dir sagen, wie ich bloß den ersten Paukenschlag hörte, da ging es mir wieder durch alle Glieder, und ich fühlte ordentlich, wie das alte Gebein wieder jung und elastisch wurde. Man hat immer das Spiel in der Hand und ist geradeso jung, wie man sein will. Aber du spinnst dich zu sehr ein, da wird man Antiquitäte, Ägyptisches Museum, man weiß nicht wie. Sieh zum Beispiel gestern. Warum warst du nicht mit dabei?«
    »Lieber Eberhard, Theater – es ist nichts mehr für mich.«
    »Falsch, falsch. So denkt jeder. Aber ist man erst drin im Feuer, dann hat man auch das alte Vergnügen wieder. Ich sage dir, Albertine, wenn du diesen Quitzow, diesen Dietrich von Quitzow, gesehen hättest, Studie nach Bismarck, aber Bismarck Waisenknabe daneben. Augenbrauen wie 'ne Schuhbürste. Müssen

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