Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche
streckten einander zum letztenmal die Zungen heraus.
Dann flüsterten Hans-Heinrich und Roswitha: „Wir möchten nach Hause.“ Sie schlossen die Augen, kniffen die Daumen ein und sagten laut: „Simsalabim.“
Da waren sie auch schon daheim.
Sie saßen in Roswithas Zimmer auf dem Teppich. Vor ihnen lag das Steinzeitbuch des Dr. Haberkorn, im zugedeckten Käfig schlief der Kanarienvogel Spatzi, und Mutter rief aus der Küche: „He, ihr beiden, kommt zum Abendessen! Es gibt...“
„Mohnkuchen von Tante Kiki!“ riefen Hans-Heinrich und Roswitha zurück. „Wir kommen!“
Sie sprangen auf, und Hans-Heinrich wunderte sich sehr, daß seine zerrissene Hose auf einmal wieder ganz war.
Der Zahn
In der Nacht erlebten die Pollinger-Kinder ihr aufregendes Steinzeit-Abenteuer noch einmal. Diesmal im Traum; und als sie erwachten, waren sie heilfroh, in der Gegenwart und zu Hause zu sein.
Eine gute Zeit, fanden sie, hatten die Neandertaler vor fünfzigtausend Jahren bestimmt nicht gehabt. Sie hatten unbequem und gefährlich gelebt, waren unwissend gewesen, voller Aberglauben und niemals sicher, ob sie am nächsten Tag genug zu essen haben würden.
Armer Aki, arme Ika!
Sie hatten keine Abenteuerbücher und keinen Fußball gekannt, keine Bratwürste und keinen Mohnkuchen, keine Limo und kein Eis am Stiel, kein Fahrrad und kein Radio, kein Fernsehen und keinen Kaugummi. Und Blue Jeans hatten sie für besonders wertvolle Felle gehalten.
Mensch Meier!
Aber jede Zeit hat ihre Schattenseiten, auch die unsere. Eine davon lernten die Pollinger-Kinder beim Frühstück kennen.
Da läutete es nämlich; und als Mutter Pollinger die Flurtür öffnete, stand draußen Herr Krause, der Vater der Krause-Zwillinge. In den Händen hielt er zwei Pappschächtelchen, in deren Deckel Luftlöcher gestochen waren. Dahinter raschelte es leise.
Herr Krause entschuldigte sich wegen der Störung. Dann versicherte er, daß er kein Spielverderber sei und eine ganze Menge Spaß verstünde. Leider sei seine Frau ziemlich empfindlich und vorhin beinahe in Ohnmacht gefallen. Deshalb möchte er Hans-Heinrich und Roswitha die Tauschtiere zurückbringen. Den Bumerang und den Stickrahmen dürften sie selbstverständlich behalten. Er überreichte Mutter Pollinger die Pappschächtelchen, wünschte einen recht schönen Tag und empfahl sich.
„Die Mäuse!“ japste Mutter Pollinger. Sie hatte die Schachteln mit den Luftlöchern noch von gestern her in unangenehmster Erinnerung. Empört schüttelte sie den Kopf. „Eingetauscht haben sie das Ungeziefer!“ stöhnte sie zornig. „Noch dazu bei guten Bekannten. Nein, welche Schande!“ Sie schnaufte energisch. „Aber jetzt sollen sie was erleben!“
Wenn Mutter Pollinger ganz besonders aufgeregt war, pflegte sie die Fäuste in die Hüften zu stoßen. Das tat sie auch jetzt, ohne viel zu überlegen.
Igittigitt!
Geballte Fäuste können keine Schachteln halten, und Deckel sitzen selten fest.
Die Mäuseschachteln fielen zu Boden, die Deckel lösten sich, die Mäuslein sausten in die Freiheit.
Mutter Pollinger quiekte und hielt sich am Türrahmen fest.
Vater Pollinger und die Pollinger-Kinder eilten ihr zu Hilfe.
Dann quiekte es noch einige Male im Hochhaus, denn die Mäuslein sprangen und kollerten die Treppen hinunter; vom sechzehnten Stockwerk bis ins Erdgeschoß.
Die Mäuse hatten unverschämtes Glück. Die Tür stand offen, sie liefen ins Freie, huschten über die Straße, ohne von einem Auto überfahren zu werden, und gelangten auf Zickzackwegen in den Schrebergarten des Dr. Haberkorn, wo sie sich dann ausgesprochen wohl fühlten.
Weniger wohl fühlten sich die Pollinger-Kinder. Sie wurden zwar nicht vermöbelt, aber was sie von Vater und Mutter zu hören bekamen, war nicht sehr schmeichelhaft.
Sie trugen es mit Würde. Viel mehr als die Standpauke ärgerte sie dann, daß es am Nachmittag regnete.
Scheibenhonig!
Um sechzehn Uhr ging Mutter Pollinger ins Schloßcafé zum Kaffeekränzchen. Vater Pollinger war im Geschäft, und Hans-Heinrich und Roswitha langweilten sich eine ganze Stunde lang.
Dann gingen sie ins Wohnzimmer, und Hans-Heinrich drehte den Fernseher an.
Während der Nachrichten passierte es.
Der Sprecher kündigte „eine sensationelle archäologische Entdeckung“ an. Darunter konnten sich die Pollinger-Kinder nichts vorstellen, aber dann riß es sie von den Sitzen.
Mensch Meier!
Der Bildschirm zeigte eine Felshöhle, die sie nur zu genau kannten.
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