Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Null.“
„Es lohnt einfach nicht“
Interview mit Lernforscherin Elsbeth Stern
Sie sind kein Fan von Fremdsprachenkursen in Kindergärten. Warum nicht?
Es lohnt sich einfach nicht.
Früh mehrere Sprachen zu sprechen, soll doch die gesamte geistige Entwicklung fördern.
Die Effekte sind minimal. Wir müssen außerdem unterscheiden: Kinder, die zweisprachig aufwachsen, haben sicher einen Vorteil. Wer aber
profitiert von einem kostspieligen Englischkurs im Kindergarten?
Die Kinder. Sie lernen die Sprache spielerisch.
Um eine Sprache spielerisch zu lernen, braucht es viel Zeit. Eine oder zwei Stunden die Woche reichen da längst nicht. Ein Kind, das
im Kindergarten am Englischkurs teilnimmt, kennt nach einigen Monaten ein paar Vokabeln oder kann einfachste Sätze wie „My name is Kevin“ aufsagen. Das
ist zwar ganz nett, steht aber in keinem Verhältnis zum Aufwand. Der winzige Vorsprung, den Kinder aus frühen Fremdsprachenkursen mitbringen, ist in null
Komma nix aufgebraucht, wenn der Unterricht in der Schule beginnt.
Was halten Sie denn von Fremdsprachenunterricht in der Grundschule?
Wenig. In den ersten beiden Klassen damit zu beginnen halte ich schlichtweg für sinnlos. Damit man Kinder etwa in Englisch
unterrichten kann, muss die Klasse ein Grundverständnis zum Beispiel in Grammatik mitbringen. Selbst der Gewinn für Dritt- und Viertklässler ist höchst
umstritten. Eine gute Didaktik für dieses Alter fehlt. Englischlehrer aus den Sekundarstufen, die gehofft haben, jetzt zügiger voranzukommen, da die
Kinder ja bereits Wissen aus der Grundschule mitbringen, sind ziemlich ernüchtert.
Ihr Fazit?
Statt mit Englisch in der Grundschule zu experimentieren, wäre es klüger, sich auf besseren, das heißt anwendungsorientierteren
Mathematik- und Sachkundeunterricht zu konzentrieren. Für kleinere Kinder gilt: Im Kindergarten sollen sie mit Gleichaltrigen spielen. Wenn dort auch
vorgelesen wird, wenn man gemeinsam singt und Sprachspiele macht, ist das wunderbar. Das schult das phonetische Verständnis, die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit allgemein. Das reicht.
Focus-Schule Heft 2/2008
Die ganze Mühe – und dann keine Ernte. Was für ein Jammer – und was für eine Blamage! Ärgerlich auch deshalb, weil eine Entscheidung
für etwas Bestimmtes gleichzeitig auch immer eine Entscheidung gegen etwas anderes ist. Seit 2001 ist der Anteil des Leseunterrichts an deutschen
Grundschulen zurückgegangen – obwohl die Verantwortlichen wissen, dass Lesen eine Kernkompetenz für Lernen ist.
Dieses Kapitel endet mit einem Bekenntnis: Ja, meine Töchter haben im Kindergarten Early-English-Kurse besucht. Bei
der Älteren, jetzt fast zwölf Jahre, wusste ich es noch nicht besser, bei der Jüngeren, fast sieben Jahre alt, gab es – trotz allem – nachvollziehbare
Gründe. Marlene traut sich wenig zu und hatte argen Bammel vor der Schule. Als sie den Wunsch äußerte, wie alle anderen Kinder aus der Kita zum Englisch
zu gehen, waren wir erst mal erfreut. Die Lehrerin entpuppte sich als überaus herzliche und mütterliche Frau. Unsere Tochter mochte sie auf Anhieb. Wir
haben ihr die Bitte auch deshalb nicht verwehrt, da Marlene ein kleines Handicap hat: Sie leidet an einer Innenohrschwerhörigkeit und trägt deshalb
Hörgeräte. Wir wollten sie testen: Kriegt sie genug mit, kann sie mithalten? Uns wurde zumindest nichts Gegenteiliges mitgeteilt. Marlene ist meist gern
zum Englisch gegangen. Sie kann zwei Lieder singen und kennt ein paar Vokabeln. Unsere Tochter hat mittlerweile allerdings einen Mordsrespekt vor Kindern,
deren Muttersprache Englisch ist. In unserer Grundschule gibt es Englischunterricht ab Klasse drei. Ab der ersten Klasse werden freiwillige Englischkurse
angeboten, für die die Eltern bezahlen müssen. Ich gehe davon aus, dass wir uns gegen einen solchen Kurs entscheiden werden.
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Früher Fremdsprachenunterricht zeigt nicht die erhoffte Wirkung. Daraus dürften Eltern, Erzieher und Pädagogen
ihre jeweils eigenen Schlüsse ziehen wollen. Eine Trendwende zu mehr Deutsch oder Sachkunde in der Grundschule ist gleichwohl nicht zu erwarten. Wer gibt
schon gerne zu, das er auf die falschen Propheten gesetzt hat?
Irrtum: Im Kindergarten sollte weniger gespielt und mehr experimentiert werden
Seit PISA ist kaum etwas, wie es war. Früher waren Mütter schon froh, wenn die Erzieherinnen nett waren und neben der Sandkiste nicht
rauchten. Mittlerweile
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