Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Kindergartenalter eine weitere Sprache lernen. Dass das mit den Synapsen und Zeitfenstern so nicht stimmt, haben wir
bereits gesehen (siehe Irrtum: Kinder kann man nicht früh genug fördern). Kleine Kinder lernen deshalb mühelos eine zweite Sprache, etwa wenn sie von
Deutschland nach Amerika ziehen, weil sie ihre Muttersprache noch längst nicht perfekt beherrschen. Sie kennen nur einen Bruchteil der zur Verfügung
stehenden Wörter und ihre Grammatik ist schlicht. Deshalb gehen sie unbedarfter an die neueSprache heran. Erwachsene hingegen tun sich
schwer. Der eigene Anspruch steht uns im Wege.
Ob Synapse, Zeitfenster oder mangelnder Ehrgeiz – eigentlich kann es uns egal sein, warum Kinder so leicht Sprachen lernen. Sie tun
es eben. Früher Fremdsprachenunterricht wäre demnach sinnvoll. Ist er nicht: Kinder lernen beiläufig, sie können zwar leicht eine zweite oder sogar dritte
Sprache erwerben, jedoch nur, wenn sie Bestandteil ihres Alltags ist. Kindergarten oder Schule sind nicht die Familie. Hier lernt man eine Sprache nicht
einfach nebenbei. Den traditionellen Unterricht, also Vokabelstudium und Grammatik-Lernen, kann man selbstverständlich nicht in die Kita oder die
Grundschule vorverlegen. Und die Erzieher und Kursleiter machen tatsächlich auch etwas anderes: Sie singen mit den Kindern, spielen Sprachspiele und
betrachten Bücher. Dabei aber kommt, diplomatisch ausgedrückt, nicht viel rum.
Mag sein, dass es nicht viel nützt, wenn im Kindergarten einmal die Woche eine Englischlehrerin für 30 Minuten engagiert wird, räumen
Menschen ein, die über das Thema diskutieren. Aber eine Erzieherin, selbstverständlich Native-Speaker, die „nie nicht“ Deutsch spricht, sondern immer nur
Englisch, das wirke bestimmt. Belege gibt es allerdings auch dafür nicht. Lernforscherin Elsbeth Stern zumindest zweifelt am Erfolg: „Wenn diese
englischsprachige Erzieherin nicht vom seltenen Typ ist, von dem Kinder fasziniert sind, wird sie vermutlich wenig zu tun haben. Die Kinder werden sich,
wann immer es geht, an ihre Kolleginnen wenden, die Deutsch mit ihnen reden.“
Bildung für Kleinkinder muss ein einträgliches Geschäft sein. Kaum eine Stadt mehr, die keine Helen-Doron-Sprachschule hat oder eine
von der Konkurrenz. Derlei Kurse kann theoretischanbieten, wer immer sich dazu berufen fühlt. Ein verbindlicher, einheitlicher
Qualitätsstandard existiert nicht. Die Vorstellung, dass Kleinkinder im Hühnchenkostüm bei einer Vorführung für Eltern „Chicken, chicken“ krähen, mag
nicht alle erschrecken. Vermutlich machen jedoch nur noch die wenigsten Kinder Bekanntschaft mit echten Hühnern. Lernt man mehr durch das Berühren,
Streicheln und Beobachten eines Huhnes? Urteilen Sie selbst!
Die deutsche Presseagentur meldete 2008, die Zahl der deutschen Grundschüler, die Englisch lernen, habe sich seit 2002 auf gut 50
Prozent verdreifacht. Wen soll das freuen? Fachleute kritisieren, eine vernünftige Didaktik fehle für den Unterricht in den ersten Klassen und die
GrundschullehrerInnen seien für die Aufgabe obendrein nicht qualifiziert genug. Ob das so ist, sei einmal dahingestellt. Die Schüler lernen jedenfalls mit
nur äußerst dürftigem Erfolg. Der Vorsprung gegenüber Kindern, die keinen fremdsprachlichen Unterricht in der Grundschule gehabt haben, hält maximal ein
paar Wochen. Danach sind alle auf dem gleichen Stand. Letzteres hat nicht nur der Englischlehrer meiner Tochter behauptet. Zahlreiche weitere Fachlehrer,
die ich um ihre Meinung bat, äußerten sich ähnlich. Tatsächlich halten zwei Drittel der Pädagogen Englischunterricht vor der fünften Klasse für
vergebliche Liebesmüh. So lautet zumindest das Ergebnis einer Anfang 2009 noch nicht veröffentlichten Studie des Englischdidaktikers Heiner Böttger von
der Katholischen Universität Eichstätt, der dazu im Sommer 2008 an bayerischen Realschulen und Gymnasien geforscht hat. Lernforscher Henning Scheich am
Leibnitz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg findet für frühe Englisch-Kurse klare Worte. Wöchentlich einmaliges Training schimpft er, sei „methodisch
völlig absurd“. Der Spiegel widmete dem Thema im Januar 2009 einen Bericht. Darin wurde neben anderen desillusionierten Experten auch Wolfgang
Kleinzitiert, der Direktor des Max-Planck-Insituts für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen. Er bilanziert: „Der Effekt des
Grundschulenglisch ist gleich
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