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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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eine Hinrichtungsstätte - die Steine selbst schreien noch vor Schmerz«, flüsterte ich, obwohl ich nicht sicher sagen konnte, wessen Schreie es gewesen waren.
    Hinter mir vernahm ich ehrfürchtiges Raunen und seufzte, wusste ich doch, die Geschichte würde noch vor Anbruch der Dunkelheit in der Stadt die Runde machen.
    »Sei getrost, edle Dame!«, sagte der junge Priester, als er sah, wie ergriffen ich war. »Sieh, das leere Grab!«
    Es gab tatsächlich zwei leere Kammern im Berghang, die noch in gutem Zustand waren, und ein paar andere, die vielleicht einmal Gräber waren, bevor das Gestein zerbröckelte. Offenbar hatte weder Eusebius noch Macarius sich auf ein bestimmtes Grab festlegen wollen, weil sie fürchteten, der andere würde widersprechen. Ich, die ich den Kaiser repräsentierte, sollte entscheiden.
    Für alle, die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, solche Dinge zu spüren, bergen Orte die Erinnerungen an große Taten, die dort einmal geschehen sind. Doch dieses Grab war im Gegensatz zu den anderen deshalb wichtig, weil die Leiche Jesu Christi nicht darin geblieben war.
    »Lasst uns zu Gott beten, dass er uns leite…«, sagte ich zu ihnen. »Begeht den Gottesdienst für die geheiligten Tage hier an dieser Stelle, und vielleicht wird ER uns SEINEN Willen kundtun.«

    Palmsonntag war bereits vorbei, und die Stadt war voller Besucher. Spannung lag in der Luft, während sich die Kirche, triumphierend in der Gunst des Kaisers, in die traditionellen Feierlichkeiten stürzte. Ich ließ mich von den Gezeiten der Hingabe tragen. Am Vorabend des Karfreitag ging ich noch einmal zur Grabstätte und hoffte auf eine Eingabe.
    Die Gräber waren mir keine Hilfe, doch auf dem Rückweg fiel mir im Graben ein grüner Schössling auf. Ein Arbeiter grub ihn für mich aus. Ich nahm ihn mit in mein Gemach, wo Cunoarda, an meine Exzentrik gewöhnt, einen Topf für mich auftrieb, in den ich ihn pflanzen konnte. Ich saß auf meiner Fensterbank neben dem kleinen Tonbild der drei Göttinnen, das von den Arbeitern ausgegraben worden war.
    Die Luft über Hierosolyma schien sich mit den Empfindungen am Karfreitag zu verdunkeln, und die Menschen, die am Fuß von Golgatha zusammengekommen waren, klagten, so wie sie einst um Tammuz geweint hatten, der auch im Frühling gestorben war. Den ganzen Tag verbrachte ich im Bett und fastete. In diesem halb wachen Zustand, der infolge des Entzugs auftreten kann, schlugen viele Gedanken in meiner Vorstellung Wurzeln und trieben Blüten. Während ich um die Grabkammern wandelte, fielen mir die anderen Gräber ein, die ich gesehen hatte. Mir schien, dass alle drei irdene Leiber waren.
    Aus der ersten Höhle wurde Christus in die sterbliche Welt hineingeboren, die zweite stellte die Geburt der Weisheit dar, aus der dritten wurde er in die Unsterblichkeit geboren. Seine Jünger verleugneten die Göttin, doch SIE war hier, in der Gestalt der Maria - Jungfrau, Mutter und trauernde Greisin, ebenso in den weiblichen Nischen der Erde selbst, welche die Toten in sich aufnimmt, sodass mit dem Frühling wieder neues Leben sprießen kann.
    Da kam mir der Gedanke, dass Eusebius, dessen Religion auf dem Verstand beruhte, nicht begriff, dass man sich, wenn nur eine Gottheit anzubeten war, auf verschiedene Art an sie wenden musste, als Mann und Gott und Mutter, als reiner Geist und in den körperlichen Ikonen, die Zeugnis abgeben von der göttlichen Präsenz, die sich in der Welt offenbart hat. Selbst Aberglaube konnte den Glauben fördern. In dieser Hinsicht hatte Konstantin für sein Volk gesprochen - seine Seele war noch heidnisch genug, um zu wissen, dass äußere, sichtbare Zeichen notwendig waren, damit weltliche Menschen zu innerer, unsichtbarer Gnade fanden.
    Als es dunkel wurde, fiel ich in einen unruhigen Schlaf, in dem eine Reihe von Träumen an mir vorbeizog. Im ersten hatte ich den Eindruck, ich sei wach, denn ich war noch in meinem Gemach, doch das Sonnenlicht fiel auf meine Topfpflanze, und ich wusste, dass es Tag war. Dennoch war die Pflanze gewachsen und hatte sich in verschiedene Zweige geteilt, an der sowohl grüne Blätter als auch Dornen sprossen. Noch während ich hinschaute, brachte sie sternenförmige weiße Blüten hervor. Da wurde mir klar, dass es der Dornbusch war, von dem die Mönche auf Inis Witrin sagten, er sei aus dem Stab entsprungen, den Joseph von Arimathia in den Boden gesteckt habe.
    Nach dieser Erkenntnis glitt ich im Traum nach Golgatha, so wie es zur Zeit Titus'

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