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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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Gesicht. Plötzlich wusste ich, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte. »Ich bin die Mutter des Kaisers.«
    »Selbst in diesem Leben ist das nicht alles, was du bist.« Er streckte die Hand aus und berührte den Punkt, an dem einst der Halbmond von Avalon meine Stirn gesegnet hatte. Woher wusste er es? Meine Stirn war tief zerfurcht, meine Haut von der Sonne gebräunt; die alte Tätowierung war nicht mehr als eine leichte Verfärbung.
    »Dadurch erkenne ich in dir die Schwester in einer Tradition, die der meinen verwandt ist, eine Geweihte der Mysterien.«
    Ich schaute ihn verwundert an. Hin und wieder hatte ich Priester südländischer Götter getroffen, die erkannten, dass hinter all ihren Kulten eine größere Wahrheit lag, doch ich hatte nie erwartet, einen Christen so reden zu hören.
    »Und da ist noch etwas. Ich hatte eine Vision«, sagte er. »Eine Zeit lang hat der heilige Joseph - der, in dessen Grab Christus gelegt wurde - unter uns gelebt, bevor er über das Meer davonsegelte. Er erschien mir in meiner Vision und erzählte mir, dass du kommen würdest. Wenn ich dich träfe, sollte ich dir diese Worte sagen:
    ›Folge der untergehenden Sonne an den Beginn deiner Reise, und du sollst durch den Morgennebel von einer Welt zur anderen übergehen…‹
    Hat das eine Bedeutung für dich?«
    Jetzt erinnerte ich mich - zweimal hatte ich das geträumt. Ich nickte und weinte, obwohl die warme Luft mir die Tränen trocknete, ehe sie herabfallen konnten.

20. Kapitel
    A. D. 327-328
    Kurz vor dem Fest der Wiederauferstehung reisten wir wieder in die Heilige Stadt. An den unteren Berghängen verfärbte sich das lebhafte Grün des Frühlings bereits in sommerliches Gold, doch die Höhen um Hierosolyma erstrahlten im Glanz neuer Blätter, und die Wiesen hatten sich mit roten Butterblumen geschmückt, mit kleinen rosaroten Orchideen, haarigem Flachs und einer Menge anderer Blüten. Es hatte den Anschein, als ob jeder ziehende Vogel in diesem Teil der Welt über Palästina hinwegflöge, und die Luft hallte von ihren Schreien wider.
    »Freuet euch! Erfreut euch am Frühling!«, zwitscherten sie. »Kore kehrt zurück aus dem Hades, und der Sohn Gottes erhebt sich aus dem Grab!«
    Die dichten Zistrosensträucher an den Hängen in der Umgebung der Stadt waren mit schneeweißen Blüten überzogen, ebenso wie das dornige Reisig des Wüstendorns. Innerhalb der Stadttore wurde man plötzlich versteckter Gärten gewahr, wenn das Trällern eines Vogels oder Blütenduft über eine Mauer zog.
    Bischof Macarius' rundes Gesicht leuchtete wie die Blumen. In den beiden vergangenen Monaten waren seine Grabungssklaven ein gutes Stück vorangekommen. Sie hatten einen harten Felsbrocken freigelegt, bei dem es sich eindeutig um die Stätte der Kreuzigung handelte. Dann hatten sie den Hügel darunter ausgegraben, in dessen Hänge viele Gräber eingelassen waren. Doch gerade dieser Erfolg stellte sie vor ein neues Problem, denn keine einzige Öffnung enthielt noch eine Leiche, wie sollten sie also sagen, von welchem Grab der Engel den Stein fortgerollt hatte?
    Mit einer Hand auf meinen Stock gestützt, mit der anderen auf den Arm eines jungen Priesters, damit er mich auffangen könnte, überquerte ich den Graben und suchte mir einen Weg über das unebene Gelände. Ein Philosoph hätte die gegenwärtige Situation als Möglichkeit zur Überprüfung der Hypothese begrüßt, dass große Ereignisse einen Ort durchaus heiligen, denn diese Stätte war bisher trotz ihrer historischen Bedeutung nicht zugänglich gewesen. In Bethlehem und auf dem Ölberg hatte die fromme Hingabe aus zwei Jahrhunderten ihre Eindrücke hinterlassen, und ich konnte nicht ganz sicher sein, ob die Bilder, die ich empfing, von den Ereignissen herrührten, die dort stattgefunden hatten, oder von der Sehnsucht der Pilger, die daran geglaubt hatten. Für Eusebius genügte die schlichte Identifikation der Stätte, um seinen Glauben zu stärken, Macarius und Konstantin hingegen wollten einen Ort der Macht.
    Ich blieb stehen und drehte mich nach links, um den Felsbrocken zu untersuchen.
    »Wir halten dies für die Stelle, die man Golgatha nannte, weil der Fels wie ein Schädel aussah. Der Stein hier ist rissiger als die anderen, und ich vermute, dass er deshalb nicht ausgegraben wurde.« Macarius deutete auf die unebene Oberfläche.
    Ich legte eine Hand auf den Stein. Nach einer geraumen Weile zog ich sie ruckartig zurück, vor dem Widerhall der Qualen schaudernd. »Das hier war

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