Die Priesterin von Avalon
Prozession zusagte. Die Inschrift lautete »Securitas Respublicae«.
Je länger der Vormittag sich hinzog, umso weniger war mir zumute, als wäre ich die Sicherheit des Staates, denn das Rucken des Karrens brachte mir trotz der tiefen Kissen, mit denen mein Thron ausgepolstert war, jeden einzelnen Knochen schmerzhaft zu Bewusstsein. Wenigstens das Wetter war um diese Jahreszeit noch kühl genug, sodass ich in meinen steifen Gewändern nicht erstickte, doch mir schien, eine bemalte Statue hätte es auch getan.
In einem traditionellen Triumphzug wären hinter den Festwagen die für das Opfer mit Girlanden geschmückten Tiere gelaufen, doch Konstantin hatte den heidnischen Brauch durch zwei Reihen weiß gekleideter, Hymnen singender und Palmwedel schwenkender junger Männer und Frauen ersetzt. Mit ihnen kam der ältere christliche Klerus der Stadt in festlichen Gewändern, angeführt vom Patriarchen Sylvester. Die kaiserliche Leibwache, die sie eskortierte, trug das Labarum, den vergoldeten Schaft mit Querstange und Fahnentuch, das religiöses Banner und Militärstandarte zugleich war. Die Schaftspitze zierte ein juwelenbesetzter Kranz mit dem Christusmonogramm »Chi« und »Ro« in der Mitte. Konstantin hatte das Labarum in den Jahren nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke eingeführt.
Inzwischen war der erste Teil der Prozession bedächtig den Heiligen Weg entlanggezogen, vorbei an der Kathedrale, die Maxentius angefangen und Konstantin vollendet hatte, und den alten Schreinen, die sich am Fuße des Mons Palatinus drängten, und wand sich in Serpentinen den Hügel hinauf, der vom Jupitertempel gekrönt war. Um das unaufhörliche Ruckeln und Schwanken besser ertragen zu können, zog ich mich in eine Art Trance zurück, in der mir zumute war, als käme nicht ich voran, sondern als zöge der verblassende Ruhm des alten Rom an meinen Augen vorüber.
Noch auf dem Rückweg zum Palast auf dem Palatin, in dem das Fest vorbereitet war, vernahm ich hinter mir eine anschwellende Woge von Lärm, als der Kaiser, strahlend wie der Sonnengott in goldenen Gewändern, auf einem Triumphwagen vorfuhr, der von zwei schneeweißen Pferden gezogen wurde.
»Konstantinus!«, schrien sie. » Io Konstantine!«
Zwanzig Jahre , dachte ich wie betäubt, zwanzig Jahre ist es her, seit Konstantius gestorben ist. O mein Geliebter, schau herab von den gesegneten Geistern und freue dich an dem Triumph unseres Sohnes!
Der Sommer kam in jenem Jahr früh und brachte eine Menge Gerüchte mit sich, die wie das Korn aus dem Boden schossen. Ich hatte es abgelehnt, Konstantin auf seinem Triumphzug durch das restliche Imperium zu begleiten, und er hatte mich als seine Gesandte in Rom gelassen, ausgestattet mit dem Verfügungsrecht über den Staatsschatz. Doch auch in meinem Palast erfuhr ich, dass die Leute voraussagten, der Kaiser werde, nachdem er zwanzig Jahre regiert hatte, Diokletians Beispiel folgen und zugunsten seines ruhmreichen ältesten Sohnes abdanken.
Andere indes verneinten dies mit dem Hinweis darauf, wie streng Crispus an die Seite seines Vaters gekettet sei, während die Herrschaft über Gallien an den jungen Konstantinus überging. Ceionius Rufius Albinus, ein junger Patrizier, war festgenommen worden, weil er ein Mädchen verführt hatte, und Crispus wurde als sein Freund ebenfalls missbilligend betrachtet.
Das konnte ich kaum glauben, denn ich wusste, dass mein Enkel seine Frau noch immer liebte. Sie hatte ihm einen Sohn geschenkt, der gestorben war, und dann ein kleines Mädchen. Es wurde noch mehr gemunkelt, was noch beunruhigender war. Crispus' Vorgehen sollte zu erfolgreich sein, zu gut. Ich kam nicht umhin, mich daran zu erinnern, dass die Volksmenge am Tag des Triumphzugs Crispus ebenso laut bejubelt hatte wie Konstantin.
Daher war es für mich weniger überraschend, als vielmehr vergleichbar mit dem Schreck, der eine kranke Frau ergreift, wenn sie das Urteil des Arztes vernimmt, als ich hörte, dass Crispus festgenommen und nach Pola in Illyrien am östlichen Ufer des Adriatischen Meeres geschickt worden war.
Der Befehl zur Gefangennahme des Jungen war aus Sirmium ergangen, doch Konstantin konnte rasch den Standort wechseln, wenn er dazu aufgelegt war, und niemand war sicher, wo er sich gerade aufhielt. Meine spontane Reaktion war, einen leidenschaftlichen Brief an den Kaiser zu schreiben, in dem ich ihn anflehte, seinen Entschluss zu überdenken. Das Schreiben vertraute ich einem zuverlässigen Boten an.
Bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher