Die Priesterin von Avalon
als hätte sie sich für die Zeremonie in einen Zustand versetzt, in dem kein Kummer ihre Gelassenheit trüben konnte. »Selbst ihre Seele, belehrt durch den Schmerz des Lebens, entfaltet sich noch zu ihrer wahren Identität.« Dem Beutel an ihrer Hüfte entnahm sie eine Hand voll Weihrauch, den sie auf die Holzscheite warf.
Ceridachos wandte sich zu den anderen um. »Aber wir, die wir uns an diese besondere Paarung von Körper und Seele erinnern, in der sie auf dieser Welt weilte, bitten dich, sie auf dem Weg, den sie jetzt verfolgt, zu leiten und zu behüten.« Seine Stimme klang heiser, als hätte er geweint, und ich erkannte, wie eng er im Laufe der Jahre als Höchster Druide mit der Herrin zusammengearbeitet hatte. Er räusperte sich und fuhr fort.
»Wir haben nicht vergessen - trage du unsere Liebe zu ihr und bitte sie, mit der Weisheit, die sie jetzt besitzt, für uns zu beten. Und wenn wir zu unserer Zeit auch zu dir kommen, nimm uns gnädig auf, o Dunkle Mutter, wie ein Kind, das in den Schlaf gesungen wird, und erwecke uns zum Licht.«
Alle im Kreis senkten den Kopf. Auch ich verneigte mich, obwohl mich niemand sehen konnte. Viele Jahre lang hatte ich mich vor meiner Tante gefürchtet, hatte sie bekämpft, und am Ende hatte ich versucht, sie zu vergessen. Dennoch hatte sie die Arbeit auf Avalon getan, und sie hatte es gut gemacht. Nachdem ich zwölf Jahre lang meinen eigenen Haushalt geführt hatte, konnte ich jetzt in gewisser Weise ihre Leistung anerkennen. Gab es doch etwas, das Ganeda mich lehren konnte?
Dierna reichte den Weihrauchbeutel an Ceridachos weiter, und er warf eine Hand voll auf den Scheiterhaufen, der jetzt lichterloh brannte.
»Der Tod ist ihre Erlösung und die Antwort auf alle Fragen«, sagte sie feierlich. »Diejenigen, die zurückbleiben, leiden nun am Verlust, an der Erinnerung, an der Reue für Dinge, die ungesagt oder unerledigt geblieben sind. Lasst uns nun für die Zurückbleibenden beten…« Mit einer großen Geste schloss sie uns alle ein.
Betet für mich! , dachte ich verbittert. Ich war erstaunt, als ich feststellte, dass selbst mein Astralkörper Tränen vergießen konnte.
»O Herrin der Dunkelheit, hebe DU die Dunkelheit hinweg, die auf unseren Seelen liegt. So wie DU den Lebensfaden durchtrennt hast, durchbreche die Fesseln, die unsere Seelen einsperren, damit unsere Gefühle niemanden binden, den wir freigeben wollen.«
In diesem Augenblick kam mir der Gedanke, dass ich nicht die Einzige war, die der Herrin von Avalon mit gemischten Gefühlen begegnet war, und die Seele einer jeden Schülerin konnte einen gefährlichen Geist darstellen. Die Gemeinde hatte allen Grund, sicherzustellen, dass nichts sie hier festhielt.
Jetzt wurde der Weihrauch im Kreise herumgereicht. Jeder, der ein wenig ins Feuer warf, sprach die Worte »Hiermit erlöse ich dich«, denen hier und da eine noch persönlichere Botschaft folgte. Rauch und Funken stoben auf, um sich mit den Sternen zu vereinen. Obwohl meine Hände den Weihrauch nicht greifen konnten, trat auch ich nahe an den Scheiterhaufen heran, vergab der Frau von ganzem Herzen, die mein Leben auf mannigfache Weise gestaltet hatte, und verabschiedete mich von ihr.
»Die Herrin verbindet das Leben mit dem Tod und erschafft aus dem Tod neues Leben«, sagte Dierna, als alle fertig waren. »Wir sind die Kinder der Erde und des Sternenhimmels. Lasst uns in unserer Antwort auf diesen Verlust über ihn hinauswachsen.« Sie holte tief Luft. »Ich trage jetzt den Schmuck der Hohepriesterin. Ich bete zur Göttin, mir die Kraft und die Weisheit zu schenken, Avalon führen zu können!«
Nacheinander leisteten auch die anderen ihre Gelübde, traten dann zur Seite, um Wache zu halten, während der Scheiterhaufen ein Flechtwerk aus glühenden Linien wurde, und der Kern, der mit leichter entzündlichem Brennstoff gefüllt war, zu Asche zerfiel. Genau in dem Augenblick, als sich am östlichen Himmel das erste Licht des Tages zeigte, zwang ich mich, nahe an den Haufen Kohle und Asche heranzutreten, der übrig geblieben war.
» Herrin, du hast mich verbannt, aber die Göttin hat mir meinen Weg gezeigt. Durch dein Beispiel und deine Gegnerschaft hast du mich vieles gelehrt. Obwohl ich nun in der Welt jenseits der Nebel lebe, werde ich es als Priesterin von Avalon tun! «
Ich zog mich zurück, denn plötzlich füllte sich die Welt mit Licht, als die neugeborene Sonne über den östlichen Hügeln aufging. Und in diesem Augenblick erhob sich der
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