Die Priesterin von Avalon
eines Kaisers. Tod und Vernichtung wird aus ihrer Herrschaft resultieren.«
»Und was kommt danach?«, fragte eine andere Stimme, die ich vage als die von Dokles erkannte.
Doch das Bild vor mir veränderte sich bereits. Dort, wo ich zuvor Blutvergießen gesehen hatte, lagen jetzt friedliche Felder. Worte kamen mir über die Lippen.
»Heil dir, dem Kaiser, der vom Glück gesegnet ist. Aus einem werden vier, und doch ist der Erste der Größte. Zwanzig Jahre wirst du ruhmreich herrschen, Jupiter mit Herkules an deiner Seite, Mars und Apollon in deinen Diensten.
Der Sohn Jupiters ist hier, aber du wirst einen anderen Namen tragen. Dein starker rechter Arm ist klug, und ein anderer, der wie die Sonne leuchtet. Nur Mars fehlt, aber wenn du ihn brauchst, wird er zur Stelle sein. Fürchte dich nicht davor, die Gelegenheit zu ergreifen, wenn sie sich bietet. Du wirst glanzvoll herrschen, Augustus, und in hohem Alter sterben, wenn du das Zepter längst in jüngere Hände übergeben hast…«
»Und was kommt danach?« Diese Stimme klang golden und strahlte in meinem Geist mit besonderem Licht.
»Der Sohn der Sonne herrscht in aller Pracht, geht aber zu schnell unter. Dennoch wird eine noch hellere Morgenröte folgen, eine neue Sonne wird aufgehen, deren Licht über die ganze Welt erstrahlen wird.«
Das Strahlen in meiner Vision formte sich zu einem Gesicht, das ich kannte. Konstantius , dachte ich zunächst, denn ein heller Bart umgab die starke Kinnpartie. Doch das Gesicht war insgesamt massiver, mit einer langen Nase und tief liegenden Augen unter der Wölbung der Stirn, ein Gesicht von solch bestimmender Kraft, dass es mir ein wenig Angst einjagte.
Dann verblasste auch diese Eingebung. Ich sank nach vorn, und meine Haare berührten das Wasser. Konstantius legte die Arme um mich und hielt mich fest, als ich infolge meines Gesichts zu zittern begann. Ich schlug die Augen auf, und als ich versuchte, mich zu konzentrieren, schob sich das Nachbild meiner Vision über eine Gestalt, die aus dem Dunkel des Eingangs trat.
Ich kniff die Augen zusammen und erkannte Konstantin. Wie lange hatte er schon dort gestanden? Und wie viel hatte er mitbekommen? Ich richtete mich auf, denn ich war mir plötzlich bewusst, wie ich mit meinen offenen Haaren und den von der Trance getrübten Augen auf ihn wirken musste. Ich streckte ihm in einer unausgesprochenen Bitte die Hand entgegen. Er blieb noch eine Weile dort stehen, hingerissen und abgestoßen zugleich. Verglich er mich mit dem Propheten Alexandros? Tränen traten mir in die Augen, als er sich umdrehte und verschwand.
»Herrin«, sagte Dokles mit seiner tiefen Stimme, »ergeht es dir wohl? Deine Worte waren uns ein großer Segen.« Sein Gesicht war ruhig wie immer, doch seine Augen leuchteten. Auf Maximians Gesicht entdeckte ich so etwas wie Furcht. Ich schaute von einem zum anderen und wusste, dass sie alle drei eines Tages den Purpur tragen würden.
»Es kommt darauf an, was ihr daraus macht«, flüsterte ich und dachte daran, wie die beiden letzten Kaiser gestorben waren.
»Du hast mir gesagt, was ich wissen musste«, antwortete Dokles. »Konstantius, bring deine Gemahlin in ihr Zimmer. Sie hat uns heute Abend einen großen Dienst erwiesen und sollte ruhen.«
»Und was wirst du tun?«, fragte Maximian.
»Ich werde zu Numerian zurückkehren und warten. Jupiter lächelt mir zu und wird mir den Weg bereiten.«
In den darauf folgenden Monaten schien sich alles in heilloses Durcheinander aufzulösen. Im November jenes Jahres starb Numerian. Dokles nutzte die Gelegenheit, beschuldigte den Prätorianerpräfekten Arrius Aper, den Kaiser vergiftet zu haben, und ließ ihn auf der Stelle hinrichten. Als Nächstes hörten wir, das Heer habe Dokles zum Kaiser ausgerufen. Doch er hatte seinen Namen geändert und nannte sich jetzt Diokletian. Carinus, der ein guter Befehlshaber war, wenn er sich dieser Aufgabe widmete, entsagte seinen Ausschweifungen, um seinen Thron zu verteidigen, und wieder kämpfte Römer gegen Römer. Maximian und Konstantius stellten sich auf Diokletians Seite und bereiteten sich darauf vor, den Westen gegen Carinus zu halten. Doch als mit dem darauf folgenden Frühjahr die Jahreszeit der Kämpfe begann, entschieden die Götter, vielleicht auch Nemesis, gegen einen erneuten längeren Bürgerkrieg. Im Schlachtgetümmel ergriff ein Tribun, dessen Gemahlin Carinus verführt hatte, die Gelegenheit, seinen Befehlshaber zu erschlagen und Rache zu üben.
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