Die Priesterin von Avalon
hast, muss ich deine Familie sein.«
Tränen traten mir in die Augen. »Hättest du gern Geschwister gehabt?«
Konstantin nickte. »Wenn ich ein Mann bin, möchte ich gern eine große Familie haben.«
»Tut mir Leid, dass ich sie dir nicht bieten konnte«, brachte ich mühsam hervor. »Aber ich habe immer gedacht, die Götter hätten mich zu dem Zweck in die Welt gesetzt, dir das Leben zu schenken.«
Er sah mich mit großen runden Augen an, denn ich hatte noch nie so deutlich darüber gesprochen. »Glaubst du, die Sterne haben mir ein großes Schicksal bestimmt?«
Ich nickte. »Ja. Deshalb habe ich so viel Wert auf deine Bildung gelegt.«
»Vielleicht gehört das Leben am Hof Diokletians dazu«, stellte Konstantin nüchtern fest.
»Oh, dessen bin ich mir sicher.« Ich versuchte, keinen bitteren Ton anzuschlagen. »Aber ist es das, was du brauchst? Ich hatte gehofft, dir etwas von den Mysterien beizubringen, in denen ich selbst unterrichtet wurde, als ich jung war.«
Konstantin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich dazu ausersehen bin, Priester zu werden. Wenn ich erwachsen bin, trete ich der Armee bei und werde Befehlshaber, vielleicht sogar im Laufe der Zeit Statthalter einer Provinz. Ich glaube, das würde mir liegen, du nicht?«
Ich unterdrückte ein Lächeln. An Selbstvertrauen mangelte es ihm gewiss nicht. Ich fragte mich, ob auch er sich vorstellte, eines Tages den Purpur zu tragen. Carinus war ein abschreckendes Beispiel für die Gefahr gewesen, in die ein Mann geriet, der unvorbereitet mit kaiserlicher Macht beschenkt wurde. Mein Sohn könnte Recht haben, wenn er meinte, er könnte viel vom Kaiser lernen, wenn das seine Bestimmung wäre.
»Solltest du in der Hierarchie weit nach oben kommen, darfst du nie vergessen, dass über dir immer noch die Götter stehen, und Theos Hypsistos, die Macht, die hinter den Göttern steht. Du musst bestrebt sein, ihren Willen für die Menschen zu erfüllen, die du beherrschen willst.«
»Ich verstehe«, sagte er zuversichtlich. »Der Kaiser herrscht über sein Volk wie der Vater über die Familie.«
Ich hob eine Augenbraue. Offensichtlich hatte der Junge darüber nachgedacht, und vielleicht hatte er seine Gründe. Immerhin war sein Vater beinahe Erbe des Imperiums geworden. Da könnte Konstantin sich ebenso gut eine Kaiserkrone erträumen.
»Der Gott der Sonne passt auf mich auf, so wie ER über meinen Vater wacht.« Konstantin klopfte mir auf die Schulter. »Hab keine Angst um mich.«
Ich nahm seine Hand und drückte sie an meine Wange. Mein Sohn hatte genug Selbstvertrauen, um seinen Weg zu gehen. Erst später wünschte ich mir, er hätte mehr Demut an den Tag gelegt.
12. Kapitel
A. D. 293-296
» Der Hof ist immer prächtiger geworden. « Konstantins große Schrift bedeckte die Seite. In den acht Jahren, seitdem er dem Haushalt des Kaisers beigetreten war, hatte er ohne Zweifel viel gelernt, aber eine elegante Handschrift gehörte nicht dazu. Ich hielt die Seite so, dass ich trotz des flackernden Lichts der Lampe etwas erkennen konnte. Das Haus, das Konstantius in Colonia Agrippinensis für mich gemietet hatte, war vornehm, hatte aber den germanischen Frühlingswinden nichts entgegenzusetzen.
» Eine einfache Begrüßung reicht nicht mehr, wenn man sich dem Kaiser nähert. Unser deus et dominus Diokletian verlangt neuerdings die volle Demutsgebärde, als wäre er der große König von Parthien und nicht der Augustus von Rom. Aber ich muss zugeben, es ist alles sehr imposant, und die ausländischen Botschafter sind dementsprechend beeindruckt. «
Maximian blieb, den Göttern sei Dank, derselbe rauhe, aber herzliche Soldat, der er immer gewesen war, auch wenn er nun Mitkaiser neben Diokletian war. Aber niemand konnte daran zweifeln, wer von den beiden der Wichtigere war. Diokletians Münzen trugen das Bild des Jupiter, während Maximians mit der muskulösen Gestalt des Herkules verziert waren.
Doch auch wenn Maximian eine Neigung zu Zeremonien gehabt hätte, wäre er dafür viel zu beschäftigt gewesen. In dem Jahr, als er Augustus wurde, hatte man Karausius, einen Admiral keltischer Abstammung, der Britannien gegen die sächsischen Übergriffe verteidigen sollte, der Unterschlagung von Beute beschuldigt. Statt in Rom vor Gericht zu erscheinen, hatte er rebelliert und sich zum Herrscher über Britannien ausgerufen. Der Mann war ein ausgezeichneter Seefahrer, der nicht nur die sächsischen Piraten geschlagen hatte, sondern auch die Flotte, die
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