Die Priesterin von Avalon
Diokletian an der Spitze. Seine erste Amtshandlung bestand darin, Maximian als seinen jüngeren Kollegen zu ernennen. Und in jenem Sommer, als sich der neue Cäsar, der Konstantius zu seinem Prätorianerpräfekten ernannt hatte, mit dem neuesten Überfall der Germanen auseinander zu setzen hatte, sandte Diokletian ein Schreiben, in dem er bat, mein Sohn Konstantin möge sich seinem Haushalt in Nikomedia anschließen.
Konstantins Schlafraum war übersät mit Ausrüstung und Kleidungsstücken. Ich blieb im Türrahmen stehen, die Arme voll Untertuniken aus Leinen frisch von der Wäscheleine. Angesichts dieses Durcheinanders schien es unmöglich, dass alles bis zum Morgengrauen des nächsten Tages gepackt sein sollte. Blitzartig ging mir die Vorstellung durch den Kopf, ihm bei einem mitternächtlichen Überfall das Gepäck zu stehlen. Doch alle Versuche, die Abreise meines Sohnes zu verzögern, würden nur zu vorübergehender Verwirrung führen, und Konstantin war in einem Alter, in dem selbst vernünftige Handlungsweisen der Eltern peinlich waren. Selbst Konstantius, wenn er denn zu Hause gewesen wäre, hätte sich einem kaiserlichen Befehl nicht widersetzen können.
»Hat dir dein Leibdiener die Wollhose eingepackt?«, fragte ich und reichte die Tuniken der Magd, damit sie diese auf den Stapel lege.
»Ach, Mutter, diese alten Dinger brauche ich nicht. Das tragen doch nur Bauern: Wie würde ich denn aussehen, wenn ich so durch Diokletians Marmorhallen marschiere?«
»Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie kalt es in Bithynien wurde, als wir das eine Jahr in Drepanum lebten, und kaiserliche Hallen sind wahrscheinlich zugig. Wenn es so kalt ist, dass du die Wollunterhosen anziehen kannst, wirst du bestimmt darüber genug andere Sachen tragen, die sie verbergen.«
Der junge Gallier, den wir Konstantin bei Erreichen seines dreizehnten Lebensjahres als Leibdiener gekauft hatten, schaute von mir zu meinem Sohn und verglich unser Stirnrunzeln. Dann drehte er sich zu der Kommode mit den Sachen um, die sein Herr nicht hatte mitnehmen wollen.
»Komm mit, Konstantin, lass die Sklaven ihre Arbeit tun. Hier sind wir doch nur im Weg.« Dabei hätte ich seine Sachen lieber eigenhändig verpackt und jedem Kleidungsstück einen Segen mit auf den Weg gegeben, doch das war etwas, das ich anderen überlassen konnte. Niemand indes konnte ihm sagen, was mir am Herzen lag.
Der Kies knirschte leise unter unseren Füßen, als ich mit ihm in den Garten hinausging. Wir setzten uns auf eine Steinbank. Der Sommer war so schön gewesen, als segneten die Götter Diokletians Herrschaft, und der Garten war die reine Blütenpracht.
Doch sie würde schon bald vergehen. Und am nächsten Morgen würde mein Sohn abreisen. Ich war davon ausgegangen, dass mir noch fünf weitere Jahre bleiben würden, bevor ich meinen Sohn an die Armee verlöre, Zeit genug für Atticus, seinen Verstand zu schulen, und für mich, seine Seele zu wecken. Kon war groß für sein Alter, seine Muskeln durch beständiges Training gut entwickelt. Er würde sich jeder körperlichen Anforderung stellen können.
Doch er sah die Welt noch immer mit der starren Überzeugung eines Kindes über Gut und Böse. Diokletian mochte zwar der tugendhafteste Kaiser seit Marc Aurel sein, doch sein Hof war bestimmt eine Brutstätte für Intrigen. Wie konnte ich meinen Sohn dagegen rüsten, ohne seine Unschuld zu gefährden?
»Sei nicht traurig, Mutter…«
Ich hatte nicht gemerkt, dass mein Gesicht mich verriet. Ich brachte ein Lächeln zustande. »Wie sollte ich nicht traurig sein? Du weißt, wie sehr ich dich liebe. Du bist ein Mann, und ich wusste, dass du eines Tages fortgehen würdest, aber es erscheint mir doch sehr früh.« Ich wählte meine Worte sorgfältig aus, denn es wäre sinnlos, das Kind zu ängstigen, da diese Trennung sein musste.
»Als der Brief kam, hatte ich zuerst auch Angst, aber jetzt will ich gehen«, sagte Konstantin. »Aber ich werde dich nicht vergessen, Mutter. Ich werde dir jede Woche schreiben, so sicher wie die Sonne aufgeht!« Er hob eine Hand, als sollte Apollon sein Versprechen bezeugen.
Ich schaute ihn überrascht an, denn dieser Eid war mit dem Ernst eines Erwachsenen ausgesprochen worden.
»Es wird nicht leicht sein«, sagte ich. »Es wird viel Neues geben, und neue Menschen werden dir begegnen, und du wirst aufregende Dinge machen…«
»Ich weiß…« Er suchte nach Worten. »Aber Verwandte sind wichtig, und da du keine anderen Kinder
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