Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
fragte er.
»Tu es ruhig. Wir wollen es ausprobieren, die Sache interessiert mich.«
Er nickte.
»Also gut.«
Er nahm Ganelon das Messer ab und schnitt sich in die Kuppe seines linken kleinen Fingers. Er drückte zu und hielt den Finger über das Muster. Ein winziger Blutstropfen erschien, wurde größer, zitterte und fiel.
Sofort stieg an der Stelle, wo das Blut auftraf, eine Rauchwolke empor, und ein leises Knistern war zu hören.
»Da soll doch ...« Random war fasziniert.
Ein winziger Fleck hatte sich gebildet, ein Fleck, der allmählich zur Größe einer Hand anwuchs.
»Da habt ihr es«, sagte Ganelon. »So wurde das Muster beschädigt.«
Bei dem Fleck handelte es sich in der Tat um ein winziges Gegenstück zu der umfangreichen Verfärbung, die sich weiter rechts erstreckte. Der Greif stieß einen leisen Schrei aus und wich vor uns zurück, wobei er in schneller Folge von einem zum anderen blickte.
»Ruhig, alter Knabe, ganz ruhig«, sagte ich, streckte die Hand aus und tröstete das Wesen.
»Aber was kann einen so großen Fleck ...« Random unterbrach sich und nickte langsam.
»Ja, was?« fragte Ganelon. »An der Stelle, wo dein Pferd vernichtet wurde, sehe ich keine Verfärbungen.«
»Das Blut von Amber«, sagte Random. »Du steckst heute voller großartiger Erkenntnisse, wie?«
»Sag Corwin, er soll dir von Lorraine erzählen, dem Land, in dem ich lange gelebt habe«, erwiderte er, »und in dem der schwarze Kreis wucherte. Ich bin allergisch gegen die Spuren dieser Kräfte, obwohl ich sie damals nur aus der Distanz kennenlernte. Mit jedem neuen Aspekt, den ich von euch erfuhr, sind mir diese Dinge klarer geworden. Ja, nachdem ich nun mehr darüber weiß, habe ich auch neue Erkenntnisse gewonnen. Erkundige dich bei Corwin nach dem Denken seines Generals.«
»Corwin«, sagte Random, »gib mir mal den durchstochenen Trumpf.«
Ich zog die Karte aus der Tasche und glättete sie. Die Blutflecken daran kamen mir plötzlich viel unheildrohender vor. Und noch etwas fiel mir auf. Ich nahm nicht an, daß die Karte von Dworkin gezeichnet worden war, dem Weisen, Lehrer, Magier, Künstler und ehemaligen Mentor der Kinder Oberons. Bis zu diesem Augenblick war mir gar nicht der Gedanke gekommen, daß vielleicht jemand anders die Fähigkeit besaß, einen Trumpf herzustellen. Der Stil der Zeichnung war mir zwar irgendwie vertraut, doch handelte es sich eindeutig nicht um seine Arbeit. Wo hatte ich diese selbstbewußten Linien schon einmal gesehen, nicht so spontan wie die des Meisters, als wäre jede Bewegung durch und durch intellektualisiert worden, ehe der Stift das Papier berührte. Und noch etwas stimmte daran nicht – die Darstellung war anders als auf unseren eigenen Trümpfen, als habe der Künstler nicht nach dem lebendigen Objekt arbeiten können, sondern nur nach alten Erinnerungen, kurzen Blicken auf die Person oder sogar nur Beschreibungen.
»Corwin, bitte! Der Trumpf!« sagte Random.
Der Tonfall seiner Worte ließ mich zögern. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß er mir in einer wichtigen Sache womöglich einen Schritt voraus war – ein Gefühl, das ich ganz und gar nicht mochte.
»Ich habe unseren häßlichen Freund für dich gestreichelt und für unsere Sache einen Blutstropfen geopfert, Corwin. Jetzt gib mir die Karte!«
Ich reichte sie ihm, und mein Unbehagen wuchs, als er das Bild in der Hand hielt und stirnrunzelnd betrachtete. Warum kam ich mir plötzlich wie ein Dummkopf vor? Lähmte eine Nacht in Tir-na Nog´th das Denken? Warum ...
In diesem Augenblick begann Random zu fluchen. Er äußerte eine Reihe von Kraftausdrücken, wie ich sie in meiner langen militärischen Laufbahn noch nicht gehört hatte.
»Was ist denn?« fragte ich schließlich. »Ich verstehe dich nicht.«
»Das Blut von Amber«, sagte er schließlich. »Wer immer das getan hat, ist zuerst durch das Muster geschritten, verstehst du? Dann stand er hier in der Mitte und setzte sich durch seinen Trumpf mit ihm in Verbindung. Als er antwortete und den festen Kontakt einging, wurde er erdolcht. Sein Blut strömte auf das Muster und löschte einen Teil der Linien aus, so wie hier mein Blut.«
Er schwieg und atmete mehrmals tief ein.
»Hört sich nach einem Ritual an«, bemerkte ich.
»Zur Hölle mit Ritualen!« rief er. »Zur Hölle mit ihnen allen. Einer von ihnen wird sterben, Corwin. Ich werde ihn – oder sie – töten.«
»Ich begreife immer noch ...«
»Wie dumm von mir, es nicht gleich zu merken! Schau
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