Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
wir starben und starben.
Nun steht geschrieben, daß nur ein Prinz von Amber durch die Schatten vordringen kann, allerdings vermag er jede Anzahl von Gefolgsleuten über denselben Weg hinter sich herzuziehen. Wir führten unsere Truppen und sahen sie sterben, doch über Schatten muß ich folgendes sagen: es gibt Schatten, und es gibt Substanz, und dies ist die Wurzel aller Dinge. An Substanz gibt es nur Amber, die reale Stadt auf der realen Erde, die alles umfaßt. An Schatten gibt es eine endlose Vielfalt. Irgendwo besteht jede Möglichkeit als Schatten des Realen. Durch die Tatsache seiner Existenz hat Amber solche Schatten in alle Richtungen geworfen. Und was läßt sich über die Dinge sagen, die außerhalb liegen? Die Schatten erstrecken sich von Amber bis zum Chaos, und in diesem weiten Bereich sind alle Dinge möglich. Es gibt nur drei Möglichkeiten, sie zu durchqueren, und jede ist mit Schwierigkeiten verbunden.
Ist man ein Prinz oder eine Prinzessin vom Blute, dann kann man zu Fuß gehen, dann kann man die Schatten durchqueren und die Umgebung im Vorbeigehen zwingen, sich zu verändern, bis sie schließlich genau die gewünschte Form hat, und dann aufhören. Diese Schattenwelt wird dadurch zur eigenen, und man kann damit machen, was man will – bis auf die Einwirkungen anderer Familienmitglieder. An einem solchen Ort hatte ich mich jahrhundertelang aufgehalten.
Die zweite Möglichkeit sind die Karten, die von Dworkin dem Meister nach unserem Ebenbild gezeichnet worden waren, um die Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Königsfamilie zu erleichtern. Er war der urzeitliche Künstler, dem Raum und Perspektive nichts bedeuteten. Er hatte die Familientrümpfe geschaffen, die es dem Suchenden erlaubten, seine Verwandten anzusprechen, wo immer sie sich befinden mochten.
Ich hatte das Gefühl, daß die Karten nicht in voller Übereinstimmung mit den Absichten des Schöpfers eingesetzt worden waren.
Die dritte Möglichkeit war das Muster, das ebenfalls von Dworkin gezeichnet worden war und das nur von einem Mitglied unserer Familie abgeschritten werden konnte. Es führte den Gehenden in das System der Karten ein und gab ihm zum Schluß die Macht, die Schatten zu überspringen.
Die Karten und das Muster sorgten für einen sofortigen Sprung von der Substanz durch die Schatten. Die andere Möglichkeit, der Weg zu Fuß, war mühsamer.
Ich wußte, was Random geleistet hatte, als er mich in die wahre Welt führte. Im Verlauf unserer Fahrt hatte er aus dem Gedächtnis immer wieder Dinge addiert, an die er sich aus Amber erinnerte, und andere Details subtrahiert, die nicht dazugehörten. Als schließlich alles stimmte, wußte er, daß wir am Ziel waren. Im Grunde war das kein Trick, denn mit dem erforderlichen Wissen vermochte jeder von uns sein eigenes Amber zu erreichen. Auch jetzt noch hätten Bleys und ich ein Schatten-Amber finden können, in dem jeder von uns auf dem Thron saß; wir hätten bis in alle Ewigkeit dort herrschen können. Aber das wäre eben nicht das Wahre gewesen, denn keiner von uns hätte sich im wirklichen Amber befunden, in der Stadt unserer Geburt, in der Stadt, die Vorbild ist für alle anderen.
Für unseren Angriff auf Amber wählten wir also den anstrengendsten Weg, den Marsch durch die Schatten. Wer immer davon wußte und die Fähigkeit besaß, konnte uns Hindernisse in den Weg stellen. Das hatte Eric getan, und viele starben im Kampf dagegen. Wie würde das Ergebnis aussehen? Das wußte niemand.
Aber wenn Eric zum König gekrönt wurde, mußte sich das widerspiegeln und überall seine Schatten werfen.
Alle überlebenden Brüder, wir Prinzen von Amber, dessen bin ich sicher, hielten es jeder auf seine eigene simple Art für weitaus besser, diesen Status persönlich zu erlangen und die Schatten anschließend nach Belieben fallen zu lassen.
Wir passierten Gespensterflotten, die Schiffe von Gérard
– die Fliegenden Holländer dieser Welt und jener Welt –, und wir wußten, daß wir uns dem Ziel näherten. Ich benutzte die anderen Flotten als Orientierungspunkte.
Am achten Tag unserer Reise standen wir dicht vor Amber. Und da brach das Unwetter los.
Das Meer wurde dunkel, die Wolken zogen sich über uns zusammen, und die Segel erschlafften in der beginnenden Flaute. Die Sonne verhüllte ihr Gesicht – ein riesiges blaues Gesicht –, und ich hatte das Gefühl, daß Eric uns endlich aufgespürt hatte.
Dann brach der Sturm los und fiel über mein Schiff her.
Wir wurden vom
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