Die Prinzen von Amber
sein, daß wir zur Gefahr für seine Herrschaft werden konnten. In ihm regte sich vermutlich ein Element des Unbehagens, ein nicht unberechtigtes Gefühl der Vorsicht angesichts der Möglichkeit, daß wir zuviel über ihn und die alten Zeiten erfuhren. Ich nehme nicht an, daß er sich jemals eine Periode vorgestellt hatte, da er nicht mehr in Amber herrschen würde. Zwar sprach er von Zeit zu Zeit scherzhaft oder grollend von seiner Abdankung. Doch meinem Gefühl nach stand immer eine kühle Berechnung dahinter, der Wunsch zu sehen, welche Reaktion darauf erfolgte. Er mußte die Situation erkannt haben, die sein Tod hervorrufen würde, weigerte sich aber anzuerkennen, daß es je soweit kommen würde. Und keiner von uns hatte einen Überblick über all seine Pflichten und Verantwortungen, über seine heimlichen Aufgaben. So unangenehm mir dieses Eingeständnis auch war, ich kam langsam zu der Überzeugung, daß keiner von uns wirklich geeignet war, den Thron zu übernehmen. Nur zu gern hätte ich Vater die Schuld an dieser Unfähigkeit zugeschoben, doch leider war ich seit meinem Aufenthalt auf der Schatten-Erde zu gut mit Freud bekannt, um nicht einen Teil der Schuld auch bei mir zu suchen. Außerdem kamen mir Zweifel über die Gültigkeit unserer Ansprüche. Wenn es keine Abdankung gegeben hatte und er tatsächlich noch lebte, konnte einer von uns bestenfalls auf eine Regentschaft hoffen. Es wäre sicher kein angenehmer Augenblick – und schon gar nicht, wenn man auf dem Thron saß
–,
ihn in eine andere Situation zurückkehren zu sehen. Sagen wir es ganz offen – ich hatte Angst vor ihm, und das nicht ohne Grund. Nur ein Dummkopf hat keine Angst vor einer realen Macht, die er nicht versteht. Doch ob es nun um den Königstitel oder die Regentschaft ging, mein Anspruch war fundierter als der von Eric, und ich war noch immer entschlossen, ihn durchzusetzen. Wenn eine Macht aus Vaters düsterer Vergangenheit, die keiner von uns wirklich verstand, mir helfen konnte, diesen Anspruch zu sichern, und wenn Dworkin eine solche Macht war, dann mußte er im verborgenen bleiben, bis ich ihn zu meinen Gunsten einsetzen konnte.
Galt das aber auch, wenn die von ihm vertretene Macht die Fähigkeit war, ganz Amber zu vernichten – und damit sämtliche Schatten-Welten, das gesamte Universum, wie ich es kannte?
Dann besonders, gab ich mir zur Antwort. Denn wem sonst konnte man eine solche Macht anvertrauen?
Wir sind wirklich eine sehr pragmatische Familie.
Ich trank mehr Wein, dann fummelte ich an meiner Pfeife herum, säuberte sie, stopfte sie von neuem.
»In den Grundzügen ist das meine Geschichte bis heute«, sagte ich, stand auf und holte mir Feuer von der Lampe. »Als ich wieder sehen konnte, gelang mir die Flucht aus Amber. Ich trieb mich eine Zeitlang in einem Land namens Lorraine herum, wo ich Ganelon kennenlernte, dann kam ich hierher.«
»Warum?«
Ich nahm Platz und sah ihn an.
»Weil dieser Ort dem Avalon nahe ist, das mir einmal am Herzen lag«, sagte ich.
Ich hatte absichtlich nicht erwähnt, daß ich Ganelon von früher kannte, und hoffte, daß mein Begleiter sich entsprechend verhielt. Dieser Schatten war unserem Avalon nahe genug, daß sich Ganelon in der Landschaft und mit den meisten Lebensgewohnheiten auskennen mußte. Was immer ich daraus gewinnen mochte, mir schien es jedenfalls geraten, Benedict diese Information vorzuenthalten.
Er ging darüber hinweg, wie ich es erwartet hatte, stand dieser Aspekt doch im Schatten interessanterer Details.
»Und deine Flucht?« fragte er. »Wie hast du das geschafft?«
»Mir wurde bei meiner Flucht aus der Zelle natürlich geholfen. Als ich erst einmal draußen war ... Nun, es gibt noch einige Passagen, die Eric nicht kennt.«
»Ich verstehe«, sagte er verständnisvoll nickend – natürlich in der Hoffnung, ich würde nun die Namen meiner Helfer nennen, doch klug genug, um nicht offen danach zu fragen.
Ich zog an meiner Pfeife und lehnte mich lächelnd zurück.
»Es ist angenehm, Freunde zu haben«, sagte er, als stimme er Gedanken zu, die mir jetzt durch den Kopf gehen mochten.
»Wir alle dürften ein paar Freunde in Amber haben.«
»Das bilde ich mir jedenfalls ein«, sagte er und fuhr fort: »Wie ich gehört habe, hast du die zum Teil angekratzte Zellentür verriegelt zurückgelassen, nachdem du deine Bettstatt angezündet hattest. Außerdem hast du Bilder an die Wand gemalt.«
»Ja«, sagte ich. »Das lange Eingesperrtsein bleibt nicht ohne Einfluß
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