Die Prinzen von Amber
»Mein Name ist Corey. Können wir alte Freunde sein?«
Er nickte.
»Alte Freunde sind hier immer gern gesehen«, sagte er.
Ich lächelte und nickte. Ich war gekränkt über seine Vorstellung, daß ich womöglich Absichten auf diesen Schatten eines Schatten hätte – ich, der ich das kalte Feuer der Amber-Krone auf meiner Stirn gespürt hatte, wenn auch nur eine Sekunde lang.
Ich überlegte, wie er sich verhalten würde, wenn er vonmeiner eigentlichen Schuld an diesen Überfällen erfuhr. So gesehen, war ich vermutlich auch am Verlust seines Arms schuld. Doch ich zog es vor, die Situation noch um einen Schritt zurückzustufen und Eric als Gesamtverantwortlichen zu sehen. Schließlich war es sein Vorgehen, das meinen Fluch ausgelöst hatte.
Trotzdem hoffte ich, daß Benedict niemals die Wahrheit erfuhr.
Ich hätte zu gern gewußt, wie er zu Eric stand. Würde er ihn unterstützen oder sich hinter mich stellen oder sich aus der Sache ganz heraushalten, wenn ich zu handeln begann? Er seinerseits fragte sich bestimmt, ob mein Ehrgeiz erloschen war oder noch immer glomm – und was ich, wenn ich noch Pläne hatte, zu unternehmen gedachte. Also ...
Wer würde die Sprache auf das Thema bringen?
Ich zog mehrmals kräftig an meiner Pfeife, leerte den Becher, schenkte mir nach, rauchte weiter. Ich lauschte auf die Geräusche des Lagers, auf den Wind ...
»Was hast du langfristig vor?« fragte er mich dann fast beiläufig.
Ich konnte antworten, ich hätte mich noch nicht entschlossen, ich sei es zufrieden, frei zu sein, zu leben, sehen zu können ... Ich konnte ihm weismachen, das wäre mir im Augenblick genug, ich hätte keine speziellen Pläne ...
... Und er hätte gewußt, daß ich ihm Lügen auftischte. Denn er kannte mich besser.
»Du kennst meine Pläne«, sagte ich also.
»Wenn du mich um Hilfe bitten würdest«, sagte er, »müßte ich sie dir verweigern. Amber ist auch ohne einen neuen Machtkampf übel genug dran.«
»Eric ist ein Usurpator«, sagte ich.
»Ich betrachte ihn eher als Regenten. Im Augenblick ist jeder von uns ein Usurpator, der Anspruch auf den Thron erhebt.«
»Dann nimmst du also an, daß Vater noch am Leben ist?«
»Ja. Am Leben und ziemlich mitgenommen. Er hat mehrmals versucht, Verbindung aufzunehmen.«
Es gelang mir, mein Gesicht unbewegt zu halten. Ich war also nicht der einzige. Jetzt meine eigenen Erfahrungen zu offenbaren, hätte sich heuchlerisch, opportunistisch und geradezu unwahr angehört – hatte er mir doch bei unserem Kontakt vor fünf Jahren den Weg zum Thron freigegeben. Allerdings konnte er auch eine Regentschaft gemeint haben ...
»Als Eric den Thron übernahm, hast du ihm nicht geholfen«, sagte ich. »Würdest du ihn jetzt unterstützen, da er auf dem Thron sitzt, wenn ein Versuch unternommen würde, ihn zu stürzen?«
»Ich habe es schon gesagt«, erwiderte er. »Ich betrachte ihn als Regenten. Das soll nicht heißen, daß ich die Situation billige, doch ich möchte in Amber keine weiteren Unruhen erleben.«
»Du würdest ihn also unterstützen?«
»Ich habe gesagt, was ich in dieser Sache sagen wollte. Du bist herzlich eingeladen, mein Avalon zu besuchen, doch nicht, es als Ausgangspunkt für einen Angriff auf Amber zu benutzen. Klärt das die Lage hinsichtlich der Dinge, die du vielleicht in deinem Köpfchen bewegst?«
»Allerdings«, sagte ich.
»Und möchtest du uns noch immer besuchen?«
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich. »Wirkt sich dein Wunsch, in Amber Unruhen zu vermeiden, auch zur anderen Seite hin aus?«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, wenn man mich etwa gegen meinen Willen nach Amber zurückbrächte, würde ich dort natürlich denkbar viel Unruhe schaffen, um eine Rückkehr in meine frühere Lage zu verhindern.«
Sein Gesicht entspannte sich, und er senkte langsam den Kelch.
»Ich wollte nicht andeuten, daß ich dich verraten würde. Glaubst du etwa, ich hätte keine Gefühle, Corwin? Ich möchte nicht, daß du wieder in Gefangenschaft gerätst und erneut geblendet wirst – oder daß etwas Schlimmeres mit dir passiert. Als Gast bist du mir stets willkommen, und du kannst an unseren Grenzen außer deinem Ehrgeiz auch deine Ängste zurücklassen.«
»Dann möchte ich dir meinen Besuch nach wie vor abstatten«, sagte ich. »Ich habe keine Armee und bin auch nicht in der Absicht gekommen, Soldaten auszuheben.«
»Dann bist du herzlich willkommen, das weißt du.«
»Vielen Dank, Benedict. Ich habe zwar nicht erwartet, dich hier
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