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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Unbarmherzig trieb ich die Männer zur Eile an; dabei führte der Weg steil bergauf. Fernes Donnergrollen drang an unsere Ohren, und die Luft bebte und war elektrisch geladen.
    Einige Stunden später führte ich unsere Kolonne einen gewundenen Felsweg hinauf. Da hörte ich plötzlich einen Schrei hinter mir, gefolgt von mehreren Gewehrsalven. Sofort hastete ich zurück.
    Eine kleine Gruppe von Männern, zu der auch Ganelon gehörte, starrte auf etwas am Boden, unterhielt sich mit leisen Stimmen. Ich drängte mich zwischen sie.
    Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Soweit ich mich zurückerinnern konnte, war ein Wesen dieser Art in der Nähe Ambers noch nicht gesehen worden. Etwa zwölf Fuß lang, mit der scheußliche Parodie eines Menschengesichts auf den Schultern eines Löwen, mit adlergleichen Flügeln, die die blutigen Flanken bedeckten, ein noch immer zuckender Schwanz, der mich an einen Skorpion denken ließ. Ein einziges Mal hatte ich bisher einen Manticora gesehen auf einer Insel, die im tiefen Süden lag – ein fürchterliches Ungeheuer, das auf meiner Liste gräßlicher Lebewesen ziemlich weit oben stand.
    »Es hat Rail zerrissen, es hat Rail zerrissen«, wiederholte einer der Männer immer wieder.
    Etwa zwanzig Schritt entfernt sah ich die Überreste Rails. Wir bedeckten ihn mit einer Plane, die mit Felsbrocken beschwert wurde. Mehr konnten wir nicht tun. Wenn der Zwischenfall überhaupt einen Nutzen hatte, dann den, daß wir die Welt mit neuer Vorsicht betrachteten, etwas, das uns nach dem gestrigen leichten Sieg verlorengegangen war. Die Männer marschierten stumm und wachsam dahin.
    »Ein scheußliches Wesen«, sagte Ganelon. »Besitzt es die Intelligenz eines Menschen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl, ich bin nervös, Corwin. Als würde etwas Schreckliches passieren. Ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll.«
    »Ich weiß.«
    »Fühlt Ihr es auch?«
    »Ja.«
    Er nickte.
    »Vielleicht ist es das Wetter«, sagte ich.
    Wieder nickte er, diesmal zögernder.
    Während wir unseren Aufstieg fortsetzten, wurde der Himmel immer dunkler, und das Donnergrollen hörte überhaupt nicht mehr auf. Im Westen zuckten Hitzeblitze auf, und der Wind wurde kräftiger. Wenn ich aufblickte, vermochte ich die gewaltigen Wolkenmassen über den höheren Gipfeln zu erkennen. Schwarze, vogelähnliche Gestalten zeichneten sich ständig davor ab.
    Kurz darauf stießen wir auf einen zweiten Manticora, den wir aber zu töten vermochten, bevor er uns angreifen konnte. Etwa eine Stunde später wurden wir von einer Horde riesiger Ungeheuer mit rasiermesserscharfen Schnäbeln angegriffen. Solche Wesen kamen mir zum erstenmal unter die Augen. Wir konnten sie zwar verscheuchen, doch der Zwischenfall beunruhigte mich noch mehr.
    Wir kletterten weiter und fragten uns immer wieder, wann das Unwetter losbrechen würde. Der Wind wurde immer heftiger.
    Es dunkelte, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen sein konnte. Als wir uns den Wolkenbänken näherten, bekam die Luft etwas Nebliges, Dunstiges. Ein Gefühl der Feuchtigkeit machte sich überall bemerkbar. Die Felsen wurden glitschiger. Ich war geneigt, die Kolonne halten zu lassen, doch Kolvir war noch ziemlich weit, und ich wollte unsere Versorgungslage nicht gefährden.
    Wir bewältigten noch etwa vier Meilen und mehrere tausend Fuß Höhenunterschied, ehe wir schließlich doch rasten mußten. Inzwischen war es stockdunkel geworden, und die einzige Beleuchtung stammte von den immer wieder aufflammenden Blitzen. Wir lagerten in einem großen Kreis auf einem harten, kahlen Hang, umgeben von Posten. Der Donner erdröhnte wie Kriegsmusik – eine Lärmkulisse ohne Ende. Die Temperatur sank ins Bodenlose. Es wäre sinnlos gewesen, das Anzünden von Lagerfeuern zu erlauben – wir hatten keinen Brennstoff. Wir machten uns auf eine kalte, feuchte, düstere Nacht gefaßt.
    Manticoras griffen mehrere Stunden später an, überraschend, lautlos. Mehrere Männer kamen ums Leben, und wir töteten sechzehn Ungeheuer. Ich habe keine Ahnung, wie viele Angreifer fliehen konnten. Ich verfluchte Eric, während ich meine Wunden verband und mich fragte, aus welchem Schatten er diese Geschöpfe herbeigerufen hatte.
    Während der Zeit, die hier als Vormittag galt, legten wir auf unserem Weg zum Kolvir noch etwa fünf Meilen zurück, ehe wir nach Westen abbogen. Wir wählten eine von drei möglichen Routen; ich hatte sie stets für diejenige gehalten, die sich am

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