Die Prinzen von Amber
Mensch«, sagte er. »Aber mir ist da ein Gedanke gekommen – ein schrecklicher Gedanke. Und dies ist die einzige Methode, die mir dagegen eingefallen ist. Mein Gedanke beruht darauf, daß du arg lange von Amber fort gewesen bist. Ich habe keine Möglichkeit, festzustellen, ob deine Geschichte vom Gedächtnisverlust der Wahrheit entspricht oder nicht. Du bist zurückgekehrt und hast hier die Führung an dich gerissen, doch herrschen tust du noch nicht richtig. Mich beunruhigte der Tod von Benedicts Dienstboten, so wie mir heute der Tod Caines zu schaffen macht. Aber auch Eric ist kürzlich gestorben, und Benedict hat eine schwere Entstellung hinnehmen müssen. Es ist nicht einfach, dir diesen Teil der Ereignisse zur Last zu legen, doch mir ist der Gedanke gekommen, daß es vielleicht doch nicht so abwegig ist – wenn du nämlich derjenige bist, der insgeheim mit unseren Feinden von der Schwarzen Straße verbündet ist.«
»Das bin ich nicht«, versicherte ich.
»Egal – du hörst dir an, was ich zu sagen habe«, sagte er. »Es wird kommen, wie es kommen muß. Wenn du während deiner langen Abwesenheit für diesen Stand der Dinge gesorgt und dabei vielleicht sogar Vater und Brand zum eigenen Vorteil von der Bühne geschafft hast, dann setze ich das mit dem Versuch gleich, jeglichen Widerstand in der Familie gegen deine Machtergreifung auszuschalten.«
»Wenn das so wäre – hätte ich mich dann Eric ausgeliefert, um mich blenden und gefangennehmen zu lassen?«
»Hör mich zu Ende an!« sagte er. »Vielleicht hast du ja Fehler gemacht, die zu diesen Ereignissen führten. Das ist inzwischen egal. Du magst so unschuldig sein, wie du sagst, oder denkbar schuldig. Sieh in die Schlucht hinab, Corwin. Das ist alles. Schau hinab auf die schwarze Straße. Der Tod steht am Ende deines Weges, wenn diese Straße dein Werk ist. Ich habe dir wieder einmal meine Kräfte bewiesen, die du vielleicht vergessen hattest. Ich kann dich töten, Corwin. Und sei dir nicht zu sicher, daß dich deine Klinge schützen würde, wenn ich noch einmal Hand an dich legen kann. Ich werde rücksichtslos sein, um mein Versprechen einzulösen. Und dieses Versprechen lautet, daß ich dich töte, sobald ich erfahre, daß du wirklich schuldig bist. Du solltest dir außerdem klarmachen, daß mein Leben geschützt ist, Corwin, denn es ist jetzt mit dem deinen verbunden!«
»Wie meinst du das?«
»In diesem Augenblick sind alle anderen durch meinen Trumpf bei uns – sie beobachten uns und hören jedes Wort. Du kannst jetzt nicht mehr für meine Beseitigung sorgen, ohne der gesamten Familie deine Absichten zu offenbaren. Wenn ich meineidig sterbe, kann mein Versprechen dennoch gehalten werden.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Und wenn jemand anders dich umbringt? Damit beseitigt er zugleich mich. Dann bleiben noch Julian, Benedict, Random und die Mädchen für die Barrikaden. Auf diese Weise steht der große Unbekannte, wer immer er ist, noch besser da. Wer ist überhaupt auf diese Sache gekommen?«
»Ich! Ich allein!« sagte er, und ich spürte, wie sich seine Hände verkrampften, wie seine Arme zitterten. »Du versuchst nur wieder alles durcheinanderzubringen – wie immer!« stöhnte er. »Es ist alles erst schlimm geworden, als du zurückkamst! Verdammt, Corwin! Ich glaube, es ist alles deine Schuld!«
Dann schleuderte er mich in die Luft.
»
Unschuldig,
Gérard!« Mehr brachte ich in diesem Augenblick nicht heraus.
Im nächsten Augenblick fing er mich auf – ein gewaltiger Griff, der seine Schultern erbeben ließ – und zog mich vom Abgrund zurück. Er schwang mich landeinwärts um sich herum und stellte mich auf die Füße. Dann entfernte er sich in Richtung der Kiesgrube, in der wir gekämpft hatten. Ich folgte ihm, und wir suchten unsere Sachen zusammen.
Als er seinen großen Gürtel festmachte, sah er mich an und blickte wieder fort.
»Wir reden nicht mehr darüber«, sagte er.
»Schön.«
Ich machte kehrt und ging zu den Pferden. Wir stiegen auf und setzten unseren Weg fort.
Die Quelle plätscherte ihre leise Musik in dem Wäldchen. Die Sonne flocht Lichtlinien zwischen den Bäumen. Auf dem Boden schimmerte noch etwas Tau. Die Grasstücke, die ich für Caines Grab ausgestochen hatte, fühlten sich feucht an.
Ich holte den Spaten, den ich im Gepäck hatte, und öffnete das Grab. Wortlos half mir Eric, den Toten auf das Stück Segeltuch zu legen, das wir zu diesem Zweck mitgebracht hatten. Wir falteten das Tuch über dem Toten
Weitere Kostenlose Bücher