Die Prinzen von Queens - Roman
bedeuten würde), wenn er die Bewohner beim Rauf- und Runterfahren doch bloß in irgendein Bla-Bla verwickeln würde, er mit ihnen über, weiß der Kuckuck, das Wetter, die Yankees, die neusten Broadway-Shows palavern würde. Ich habe aber keine Lust zu reden, beschwert er sich bei Isabel. Versteh ich, sagt sie. Echt. Aber vielleicht ist es mal an der Zeit, dass du deine große Klappe aufmachst und wieder zu quasseln anfängst.
Normalerweise zuckt er mit den Schultern, wenn sie das sagt. Oder macht ihr die Badezimmertür vor der Nase zu. Oder dreht sich im Bett um. Oder macht eine mit Blut vollgesogene Mücke an der Wand platt.
Heute Abend also wird sie warten, bis seine Schale einen Riss zeigt. Vielleicht reißt er einen Witz oder lacht über einen von ihr. Vielleicht wird er Christian Louis Eiscreme an die Nase schmieren. Oder »Winzig kleine Spinne« singen. Isabel freundlich anschauen und einmal die dünne weiße Narbe ignorieren, die unter ihrem Auge eingraviert ist. Er wird sie mit ungeschützter, sanfter Zuneigung ansehen und genau dann, genau in dem Moment, wird sie die Bombe platzen lassen. Es ist noch jemand im Anmarsch, wird sie sagen. Wir sind wieder schwanger.
G egen halb vier am Nachmittag kommt Alfredo in die Wohnung gewankt. Seine Beine zittern, er knallt gegen den Türrahmen. Der Schlüssel fällt ihm aus der Hand. Er kommt eine Stunde später als erwartet, was bei Isabel im Regelfall ganz bestimmte Fragen abrufen würde, jetzt aber lenkt sie der Schweiß auf seinem puterroten Gesicht ab. Er trägt – vielmehr versucht es – einen gigantischen Pappkarton. Obenauf rutscht der Stapel Post von heute herum, und als Alfredos Knie einknickt, sticht ihm die Ecke eines Umschlags in den Hals.
»Du lieber Gott«, sagt Isabel. Sie hält Christian Louis an den Händen, während er mit der Anmut einer Marionette einen Fuß vor den anderen setzt. Er versucht, zu seinem Vater zu gelangen, und Isabel folgt ihm. »Sag mir, dass das kein Geburtstagsgeschenk ist«, sagt sie.
»Das ist kein Geburtstagsgeschenk«, sagt er.
»Na gut, was zum T ist es dann?«
»Was bedeutet denn T?«
»Teufel«, flüstert sie.
»Wir können nicht ›Teufel‹ vor ihm sagen?«, fragt er und lässt die Kiste zu Boden. »Aber es steht schon in der Bibel.«
»Alfredo«, sagt sie. »Was ist in der Kiste?«
Viel zu sehr in Fahrt, um jetzt noch lange nach einer Schere zu suchen, schlitzt Alfredo das Paketband mit dem Schlüssel auf. Nachdem er den Deckel aufgeklappt hat, reicht er Christian Louis ein Stück Styropor, das dieser sich gleich in den Mund steckt. Alfredo greift in die Kiste und zieht – tata! – eine weitere Kiste heraus. Die nicht so aussieht, als enthielte sie weitere Kisten. Sie gehört zu einer ganz eigenen Spezies, besteht aus Kunststoff und Metall und hat einen dreipoligen Stecker als Schwanz und zwei akkordeonartige Flügel.
»Eine Klimaanlage?«, sagt Isabel.
»Eine Klimaanlage«, sagt Alfredo triumphierend. »Hab mir überlegt: Wo halten sich Mücken am liebsten auf? Da, wo es heiß und feucht ist, richtig? Und wo geht die Hitze in einem sechsstöckigen Wohnhaus hin? Ins oberste Stockwerk, richtig? In unser Stockwerk.«
Isabel untersucht die Kiste nach Dellen, will feststellen, ob sie vielleicht vom Laster gefallen ist.
»Wie viel?«
»Mach dir keine Gedanken.«
»Ich mach mir aber Gedanken. Wo hast du das Geld her?«
»War super preiswert. Wir haben August. Niemand kauft im August Klimaanlagen.«
»Na dann«, sagt sie, während sie Christian Louis das Styropor aus dem Mund holt. »Ich hoffe, du hast dir schon einen schlauen Platz dafür überlegt, denn in die Fenster wird sie nicht passen«.
Alfredo sieht zu den Fenstern und legt den Kopf schief.
»Wird schon passen.«
Er schnappt sich eine Zeitschrift aus dem Poststapel und nimmt sie mit zum Futon. Er lässt Pappfetzen, abgerissenes Klebeband, Plastikfolie, Styropor-Stücke und -Kügelchen und die Klimaanlage selbst hinter sich zurück, quer über Isabels Fußboden verstreut, geht wie immer davon aus, dass jemand anderes hinter ihm aufräumen wird. Christian Louis, dessen Loyalität keine Grenzen kennt, watschelt zu seinem Vater. Alfredo hebt ihn hoch, hält ihn auf dem Schoß, einen Arm sanft und vorsichtig um sein Bäuchlein gelegt. Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr ist Isabel eifersüchtig auf ihren Sohn. Die Babybücher hatten sie gewarnt, dass Vätern das passieren könne – sie sind schließlich sowohl bei dem neunmonatigen
Weitere Kostenlose Bücher