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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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zitternden Gehilfen einen Finger vor die schmale Brust. › Sie sind das. Die Antwort ist: der Mensch!‹«
    Schwester Bishop hatte ihren Lockenkopf über die zusammengerückten Flüstersprecher gebeugt, die in die unteren Buchsen der Eier eingestöpselt waren. Von Zeit zu Zeit äußerte sie Laute, die sich wie ein mitfühlendes Zischen anhörten. Gaspard bohrte und hantierte mit dem Schraubenzieher. Flaxman rauchte eine Zigarre; er hatte sich in Gegenwart der Eier schon soweit unter Kontrolle, daß er nur noch gelegentlich ins Zucken kam und ihm auch nur noch dann und wann ein Schweißtropfen über die Stirn rann. Das zweite Kapitel von Die Woge des Alls arbeitete sich unbarmherzig seinem Höhepunkt zu.
    Als Gaspard die letzte Schraube fest eingedreht hatte und stolz sein Werk betrachtete, war von draußen ein leises Klopfen zu hören. Gaspard öffnete vorsichtig die Tür und ließ Zane Gort herein, der respektvoll zuhörte.
    Cullingham, ein wenig heiser geworden, deklamierte: »Als sich Potherwell mit wirbelnden Armen auf den kanariengelben, schimmernden Gehirnsack des Achtfüßler-Einzelgängers stürzte, rief Grant Eisenstein: ›Wir haben einen Spion in unseren Reihen!‹, packte das zarte Mieder Zylas, der Königin der Eissterne, und riß daran. ›Seht!‹ rief er seinen verblüfften Raummarschällen zu. ›Radar-Doppelkuppeln!‹ Kapitel Drei : Im Lichte des inneren Mondes des sonnenlosen Planeten Kabar beäugten sich mißtrauisch vier Meisterverbrecher.«
    Zane Gort sagte leise zu Gaspard: »Weißt du, es ist komisch, wie oft die Menschen ihre Geschichten oder Kapitel mit der Entdeckung enden lassen, daß die schöne Frau in Wirklichkeit ein Roboter ist. Und zwar in genau dem Moment, da es erst wirklich interessant wird. Sie machen peng! Schluß, ohne die Form, die Farbe, die Ausstattung, den Greifertypus des Roboters auch nur mit einem Wort zu erwähnen und ohne überhaupt zu sagen, ob es sich um einen Roboter oder eine Robix handelt.«
    Er schüttelte seinen Metallkopf. »Natürlich bin ich voreingenommen, aber ich frage dich, Gaspard, wie dir eine Geschichte gefallen würde, in der sich der schöne Robot als Menschenweib entpuppt, und die dann schnapp! endet, ohne daß ein Wort verloren wird über Teint und Haarfarbe und Brustumfang, ohne auch nur einen Hinweis darauf, ob sie eine paradiesische Schönheit oder eine häßliche Schachtel war?«
    Er richtete seine Kopflampe auf Gaspard und ließ das Licht aufblitzen. »Da fällt mir ein, ich habe einmal ein Tungsten-Kapitel so enden lassen: Die Platin-Paula erwies sich als leere Robothülle mit einem menschlichen Filmstarlet an den Kontrollen. Ich wußte, daß meine Leser deshalb sehr frustriert sein würden und sofort etwas anderes brauchten. Also wechselte ich über zu Vilya, die sich gerade ölte. Das regt die Leser immer sehr an.«
     
     

30
     
    Cullingham mußte plötzlich fürchterlich husten.
    »Das reicht für den Augenblick«, sagte Flaxman. »Ruh deine Stimme aus. Jetzt wollen wir uns erst mal die Gehirne anhören.«
    »Doppel-Nick möchte etwas sagen«, verkündete Schwester Bishop und schaltete den Lautsprecher auf volle Lautstärke.
    »Meine Herren«, sagte eines der beiden größeren Silbereier.
    »Ich möchte annehmen, Sie wissen, daß wir nur Gehirne sind und nichts weiter. Wir können sehen und hören und auch sprechen – aber das ist alles. Unser Drüsenhaushalt ist auf ein Minimum reduziert, das können Sie mir glauben, und bewahrt uns noch so eben vor dem Dahinvegetieren. Ich darf Sie also ganz unterwürfig fragen, wieso Sie erwarten, daß wir uns für die Produktion von Geschichten interessieren, deren Handlung nur so dahinstolpert, deren Gefühlswelt dem Erleben willenloser Idioten entspricht und deren absolutes Schwergewicht auf jener langweiligen Anwandlung liegt, die Sie euphemistisch Liebe nennen?«
    Schwester Bishops Lippen verzogen sich zu einem ungläubigen, wissenden Lächeln, doch sie sagte nichts.
    »Damals, als ich noch einen Körper hatte«, fuhr Doppel-Nick fort, ehe sich einer der Partner eine Antwort ausdenken konnte, »herrschte ein Überfluß an solchen Büchern. Drei von vier Buchumschlägen verhießen offen die Darstellung des Liebesakts in befriedigender Detailtreue, wohlgewürzt mit Gewalt und Perversion, doch auch dick überzogen mit einer Schicht infantiler Kraftmeiermoral. Wie ich mich erinnere, sagte ich mir damals, daß neunzig Prozent aller sogenannten Perversionen der natürliche Wunsch sein müßten, ein

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