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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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befand. Ruben konnte Aisons Gesicht nicht erkennen, weil Cal die Sicht versperrte, doch er sah, dass sein Körper zu zucken begann. Der Erzengel hatte die Augen geschlossen, und nun krochen zu Rubens Entsetzen aus Aisons Brust blaue Tentakel aus Licht, die sich nach der Kugel reckten. Und dann begann Aison zu schreien. Seine Schreie erfüllten den ganzen Saal, übertönten Ledas Schluchzen, drangen in Rubens Ohren und breiteten sich in ihm aus, bis er glaubte, zu bersten. Er hielt sich die Ohren zu, doch es nützte nichts, die Schreie hallten in seinem Inneren wider, bis sie alles andere auslöschten.
    Als Ruben wieder zu Bewusstsein kam, lag er in einem Bett. Er drehte den Kopf zur Seite, sah die weiße Robe über einem Stuhl hängen und begriff, dass er sich in seinem Zimmer befand. Sein erster Gedanke war, dass er sich vor dem gesamten Rat blamiert hatte, weil er ohnmächtig geworden war. Dann erinnerte er sich an Aisons Schreie, die von einer Qual zeugten, die Ruben sich nicht einmal vorzustellen vermochte. Cal und die anderen Ratsmitglieder schienen davon vollkommen unbeeindruckt gewesen zu sein. Sie hatten diese entsetzliche Prozedur wohl schon viele Male erlebt. Ruben musste an Henri denken, und ein heftiges Schuldgefühl durchzuckte ihn. Doch Henri war nur ein Mensch . Für einen Seraph nicht bedeutender als eine Fliege. Und Aison war selbst schuld an seinem Schicksal. Er hätte wissen müssen, wie der Erzengel auf seinen Verrat reagieren würde.
    Wenn alles in Ordnung war, weshalb nur fühlte er sich dann so schmutzig?
    Ruben rollte sich auf dem Bett zusammen und schlang die Arme um die Knie. Durch das Fenster drangen die Schreie der Möwen herein, ihre Schatten huschten über die weißen Wände. Lange Zeit blieb er so liegen. In Gedanken bat er Henri um Verzeihung, dann wieder schwor er sich, seine Gefühle abzuhärten, bis er kein Mitgefühl mehr für die Sterblichen empfand.
    Einmal klopfte Villeraux an die Tür und fragte, ob er Hunger habe, verstummte aber, als Ruben seinen Schuh gegen die Tür warf. Das Licht wurde golden, dann rosig, aber Ruben fühlte sich nicht besser, wenn auch seine körperlichen Kräfte zurückkehrten. Er hoffte, der Erzengel wünschte nicht mit ihm und Elisabeth d’Ardevon zu Abend essen. Allein der Gedanke daran, wie Cal ihn vor der Comtesse loben würde für das, was er Henri angetan hatte, war unerträglich. Er empfand Abscheu vor sich selbst.
    Als eine große Möwe durch das geöffnete Fenster ins Zimmer segelte, erschrak er. Der Vogel drehte kurz vor der Wand ab, landete in einem eleganten Bogen auf dem Kopfteil seines Bettes und hüpfte von dort auf die Matratze. Er wollte sie gerade verscheuchen, da lösten sich die Konturen der Möwe auf, der Körper dehnte sich und formte sich neu. Mit einem Schrei sprang Ruben auf und wurde gleich darauf puterrot. Auf dem Bett kauerte Leda, Aisons Schwester. Sie streckte ihre Beine und rutschte in eine sitzende Haltung.
    »Noch nie eine Gestaltwandlerin gesehen?« Sie strich sich die Haare glatt und streckte sich, als hätte sie sich ihre menschliche Gestalt übergestreift wie ein Kleid.
    Ruben tat sein Bestes, um seine Verblüffung zu kaschieren. »Du hättest auch durch die Tür kommen können.«
    »Damit Villeraux zu Savéan läuft und ihm davon erzählt? Was ich mit dir besprechen will, muss geheim bleiben.«
    Sie war verwirrend schön mit ihrem herzförmigen Gesicht, das so unschuldig wirkte. Ruben starrte auf ihren Mund und dachte an reife Himbeeren. Warum verwirrten ihn Frauen immer so sehr und ließen ihn wie einen Tölpel aussehen? Harscher als beabsichtigt fragte er: »Was willst du von mir?«
    Leda fing an zu weinen, und Ruben bereute seinen groben Ton sofort. Er setzte sich neben ihr aufs Bett und strich über ihren Rücken.
    »Es tut mir leid. Aber bitte sei still, Villeraux könnte uns hören«, wisperte er, mit dem Ergebnis, dass Leda ihr Gesicht an seine Brust presste, um ihr Schluchzen zu ersticken. Unbeholfen legte er die Arme um sie. Wie zart sie sich anfühlte und wie gut es tat, mit der Wange ihr Haar zu streifen und ihren Duft einzuatmen! Nun schlang sie auch noch ihre Arme um seinen Nacken, ihre Wimpern kitzelten seine Halsbeuge. Eine Weile blieben sie so sitzen, dann löste Leda sich von ihm und schniefte.
    »Es geht wieder, danke.«
    Ruben war beinahe ein wenig enttäuscht.
    »Ich bin gekommen, um dich zu warnen«, flüsterte Leda und sah ihn mit großen Augen an. »Du musst von hier fliehen!«
    Ruben verstand

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