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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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Luft, strahlend wie kleine Sonnen im Halbdunkel des Raums. Es war wunderschön, aber vergänglich, denn mit einem hellen Ton zerplatzte eine Glaskugel nach der anderen. Zurück blieben leuchtende Nebelschleier, die durcheinanderwaberten und dann in den Mauern der Kirche verschwanden.
    »Sie suchen ihre Körper«, sagte Plomion in die Stille hinein. Dann half er Julie, die Kristallkanone abzulegen und löste den Kristall vorsichtig aus seiner Halterung. Schweigend barg er ihn in seiner Tasche.
    »Heißt das, wir haben es geschafft?«, fragte Fédéric.
    »Beinahe«, antwortete Julie.
    Plomion hob den Finger und gebot Ruhe. Er lauschte und runzelte dabei die Stirn. »Hört ihr das?«
    Tatsächlich, jetzt vernahm auch Julie einen seltsam fernen Lärm.
    »Das kommt von hier drüben.« Fédéric ging dem Geräusch nach. Julie, Plomion und die Seraph folgten ihm bis zu einer mit Blei beschlagenen Kiste im Chor der Kirche, in der es rumpelte und schepperte.
    »Vielleicht ist da noch ein Ungeheuer drin«, sagte Fédéric misstrauisch.
    »Ich ahne, welches.« Julie lächelte trotz ihrer Erschöpfung. »Comte, würdet Ihr das Schloss öffnen?«
    Plomion kniete nieder, zog einen gebogenen Draht aus seiner Westentasche und stocherte in dem Vorhängeschloss herum. Schon nach kurzer Zeit schnappte die Verriegelung zurück und er klappte den Deckel der Kiste auf.
    Songe machte einen Buckel, jedes einzelne Haar an ihrem Körper gesträubt, fauchte sie ihre Befreier an. Dann erkannte sie Julie und sprang würdevoll aus der Kiste.
    Verzeihung, ich dachte, es ist dieser widerliche, rothaarige Seraph, der mich hier hineingesteckt hat.
    Er kann dir nichts mehr tun, er ist verbrannt, sagte Julie.
    Eine Bleikiste, so etwas Perfides! Songe streckte sich.
    Deshalb konnte ich dich nicht hören! Julie kniete nieder und drückte ihre Freundin an sich.
    Wie ich sehe, bist du auch ohne mich gut zurechtgekommen. Die Katze rieb ihren Kopf an Julies Fingerknöchel. Ich bin stolz auf dich.
    Aber der Preis war zu hoch. Ruben ist tot. Julie schloss die Augen, bis sie sich wieder gesammelt hatte.
    »Wir sollten deine Mutter suchen«, sagte Plomion. »Sicher ist sie verwirrt, weil sie sich plötzlich wieder in ihrem Körper befindet.«
    »Um deinen Bruder kümmern wir uns später«, fügte Fédéric hinzu.
    »Ich bleibe bei ihm«, sagte die Seraph, während sie sich die Hand auf die verletzte Schulter presste. »Ich bin übrigens Leda.« Sie lächelte Julie schüchtern an.
    Julie nickte. Mit Songe im Arm stand sie auf und ging mit Fédéric und Plomion durch das offene Kirchenportal nach draußen. Auf der weiten Terrasse vor der Kirche lag der Mondschein, tief unter ihnen rauschte das Meer.
    Obwohl Julie nicht hätte sagen könnne, woher, wusste sie doch, wo sie Rhea finden würden. Sie saß in der Küche auf einem Stuhl neben dem erkalteten Herd und betrachtete ihre Hände. Ihr Haar fiel glatt wie fein gesponnene Goldfäden auf ihren Rücken, genau wie Julies.
    »Rhea«, sagte Plomion leise, und sie blickte auf.
    »Philippe.« Sie lächelte. »Ich erinnere mich.«
    »Ich habe noch jemanden mitgebracht.« Plomion schob Julie nach vorne, deren Herz auf einmal so hart gegen ihre Rippen schlug, dass es wehtat.
    »Wer bist du?«, Rheas Augen sahen sie mit freundlicher Neugier an, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie schlug die Hände vor den Mund. »Mein Kind«, flüsterte sie erstickt.
    Julie sank auf die Knie und legte ihren Kopf auf Rheas Schoß. »Mutter«, sagte sie. Das Wort Maman brachte sie nicht über die Lippen.
    »Ist dein Bruder auch hier?«, fragte Rhea mit zitternder Stimme, während sie Julie schluchzend über die Haare strich.
    Julie konnte nicht antworten, der Klumpen in ihrer Kehle saß zu fest.
    »Er ist in der Kirche, Rhea«, sagte Plomion sanft. »Er hat sich geopfert, um Julie zu retten.«
    Julie spürte, wie ihre Mutter tief Luft holte. »Ich will ihn sehen.« Sie stand auf und hatte auf einmal nichts Weiches mehr an sich, ihre Stimme war es gewohnt, Befehle zu erteilen. Sie hätte eine Heerführerin sein können oder eine Königin, hochgewachsen und von einer natürlichen Unnahbarkeit. Nichts an ihr erinnerte an Gabrielle mit ihren Lachfältchen, ihrer weichen Figur und ihrem warmen Geruch.
    Auf dem Weg zur Kirche erzählte Julie Rhea in aller Kürze, was geschehen war. Sie hatte Mühe, mit ihrer Mutter mitzuhalten, die um einiges größer war als sie selbst.
    In der Kirche trat Rhea an den Altar und betrachtete Ruben.

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