Tagebuch Eines Vampirs 05. Rückkehr Bei Nacht
PROLOG
Ste-fan-o?
Elena war frustriert. Sie bekam das Gedankenwort einfach nicht so heraus, wie sie es wollte.
»Stefano«, sagte er ihr vor. Er stützte sich auf einen Ellbogen auf und sah sie mit diesen Augen an, die sie immer wieder aufs Neue beinahe vergessen ließen, was sie zu sagen versuchte. Sie leuchteten wie grüne Frühlingsblätter im Sonnenlicht.
»Stefano«, wiederholte er. »Kannst du es sagen, meine wunderschöne Geliebte?«
Elena erwiderte seinen Blick mit feierlichem Ernst. Er war so attraktiv mit seinen bleichen, feinen, wie gemeißelten Gesichtszügen und dem dunklen Haar, das ihm achtlos über die Stirn fiel, dass es ihr das Herz brach. Sie wollte all die Gefühle, die sich hinter ihrer unbeholfenen Zunge und in ihrem eigensinnigen Geist auftürmten, in Worte fassen. Es gab so vieles, das sie ihn fragen musste ...
das sie ihm sagen musste. Aber noch wollten die Laute nicht herauskommen. Sie verhedderten sich auf ihrer Zunge. Sie konnte ihm ihre Gedanken nicht einmal telepathisch senden - sie schwirrten alle nur als bruchstückhafte Bilder in ihrem Kopf herum.
Schließlich war dies erst der siebte Tag ihres neuen Lebens.
Stefano hatte es ihr erzählt: Kurz nachdem sie erwacht war, gerade zurück von der Anderen Seite nach ihrem Tod als Vampir, hatte sie gehen und reden und alle möglichen Dinge tun können, die sie jetzt scheinbar vergessen hatte. Er wusste nicht, warum sie sie vergessen hatte - ihm war noch nie jemand begegnet, der nach seinem Tod zurückgekehrt war, es sei denn, er wäre zum Vampir geworden. Elena aber war bereits vor diesem jüngsten Tod ein Vampir gewesen, und das war sie jetzt gewiss nicht mehr.
Stefano hatte ihr außerdem voller Aufregung berichtet, dass sie jeden Tag in stürmischem Tempo dazulernte. Neue Bilder, neue Gedankenworte. Obwohl es in manchen Momenten einfacher war zu kommunizieren als in anderen, war Stefano davon überzeugt, dass sie schon bald wieder sie selbst sein würde. Dann würde sie sich wie der Teenager benehmen, der sie wirklich war. Sie würde nicht länger eine junge Frau mit einem kindlichen Verstand sein, wie die Geister sie offensichtlich haben wollten: mit der Fähigkeit, die Welt mit neuen Augen zu sehen, mit den Augen eines Kindes.
Elena fand, dass die Geister ein wenig unfair gewesen waren. Was war, wenn Stefano in der Zwischenzeit jemanden fand, der gehen und reden - und sogar schreiben konnte? Das machte Elena Sorgen.
Und das war der Grund, warum Stefano vor einigen Tagen nachts aufgewacht war und sie nicht in ihrem Bett vorgefunden hatte. Er hatte sie im Badezimmer entdeckt, wo sie ängstlich über einer Zeitung brütete und versuchte, den kleinen Kringeln - sie wusste, dass es Worte waren, die sie früher einmal erkannt hatte -
einen Sinn abzuringen. Das Papier war gesprenkelt von Flecken, die ihre Tränen hinterlassen hatten. Die Kringel sagten ihr nichts.
»Aber warum, Liebste? Du wirst wieder lesen lernen. Warum die Eile?«
Das war, bevor er die Bleistiftminen sah, abgebrochen durch Elenas zu harten Griff, und die sorgfältig gehorteten Papierservietten. Diese hatte sie bei ihrem Versuch benutzt, Worte nachzuahmen. Wenn sie schreiben konnte wie andere Leute, würde Stefano vielleicht aufhören, in seinem Sessel zu schlafen, und er würde sie in dem großen Bett im Arm halten. Er würde nicht nach jemandem suchen, der älter war oder klüger. Er würde wissen, dass sie kein dummes Kind war.
Sie sah, wie Stefano sich all das im Geiste langsam zusammenreimte, und sie sah Tränen in seine Augen treten. Er war mit dem Grundsatz erzogen worden, dass es ihm niemals gestattet sei zu weinen, ganz gleich, was geschah. Aber er hatte ihr den Rücken zugekehrt und atmete sehr lange Zeit, wie es schien, langsam und tief durch.
Und dann hatte er sie auf seine Arme gehoben, sie zu dem Bett in seinem Zimmer gebracht, ihr in die Augen geblickt und gesagt: »Elena, sag mir, was ich tun soll. Selbst wenn es unmöglich ist, ich werde es tun. Ich schwöre es. Sag es mir.«
All die Worte, die sie ihm in Gedanken übermitteln wollte, steckten noch immer in ihr fest. Aus ihren eigenen Augen quollen nun Tränen, die Stefano mit den Fingern abtupfte, als würde er ein unbezahlbares Gemälde ruinieren, indem er es zu grob berührte.
Dann hob Elena ihm das Gesicht entgegen, schloss die Augen und schürzte leicht die Lippen. Sie wollte einen Kuss. Aber ...
»In deinem Kopf bist du jetzt einfach ein Kind«, erklärte Stefano gequält. »Wie kann
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