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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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gefasst. Nicolas trat neben das Bett und sah sie fragend an. Sie nickte und sah zu, wie er an dem schweren Möbelstück ruckte. Plötzlich entglitt es seinen Händen, er konnte gerade noch zur Seite springen, bevor es auf die Dielen donnerte.
    »Nicht hinsehen!«, rief er, aber sie musste sich selbst davon überzeugen, was geschehen war. Sie stand auf. Nicolas kam auf sie zu, umfing sie und presste ihr Gesicht an seine Brust.
    »Sieh weg!«, krächzte er.
    Sein Hemd roch so frisch wie die Laken nach dem Waschtag, wenn sie in der Sonne getrocknet waren. Julie hörte sein Herz schlagen, schnell wie der Hufschlag eines fliehenden Pferdes.
    »Lass uns gehen«, sagte er. »Wir können hier nichts mehr tun.«
    Aber sie wand sich aus seinen Armen. Plötzlich war ihr Kopf frei, sie stieß Nicolas zur Seite und sah.
    Was auf dem Bett lag, waren keine Körper mehr. Es waren …Fleischstücke, zusammengehalten von Haut. Julie erkannte Hände und Füße, die ans Bett gefesselt waren. Das dort am Fußende mussten Gabrielles und Jacques’ Köpfe sein. Man hatte sie ihnen vom Körper getrennt und die Augäpfel herausgerissen. Ihre Leiber waren von der Kehle bis zum Nabel aufgeschlitzt und ausgeweidet, Reste von Innereien lagen zwischen ihnen. Sie mussten erst kurze Zeit tot sein, denn das Blut, das die Laken tränkte, war nur teilweise geronnen.
    Julies Beine gaben nach, sie fiel auf die Knie und erbrach sich, besudelte die Dielen, dann kam nur noch trockenes Würgen. Nicolas zog sie hoch und drückte sie an sich. Sie schrie in sein Hemd, so wie sie noch nie geschrien hatte. Julie erschrak selbst vor diesem Laut, der klang wie der eines Tieres, aber sie musste schreien, sonst hätte der Schmerz sie entzweigerissen.
    Nicolas hielt sie und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sein Hemd war von Speichel und Tränen durchweicht, aber er ließ sie nicht los. Erst nach einer Weile sagte er behutsam: »Bitte lass uns jetzt gehen.« Er schob Julie zur Tür, ohne sie loszulassen.
    Auf seltsame Weise fühlte sie sich jetzt ganz ruhig. Das Schlimmste war bereits geschehen, nichts konnte ihr jetzt noch etwas anhaben. Erst auf dem Treppenabsatz fiel ihr das Dienstmädchen wieder ein. »Victoire – wir müssen sie mitnehmen.«
    »Uns bleibt keine Zeit, die Nachbarn werden sich um sie kümmern.«
    Julie wusste, dass es falsch war, aber sie hatte keine Kraft, sich zu wehren. Steif ging sie neben Nicolas die Treppe hinunter und ließ Victoire in ihrem Wahnsinn zurück.
    Gemeinsam traten sie auf die Straße hinaus. Julie versuchte zu verstehen, weshalb hier immer noch Leute hin und her eilten, Gegenstände für die Barrikade heranschleppten, in den Hofeinfahrten standen und debattierten. Wie war es möglich, dass niemand mitbekommen hatte, was im Haus des Uhrmachers geschehen war?
    Da fiel ihr das Einzige ein, was sie für ihre Eltern noch tun konnte. »Ich muss in den Laden.« Ihre Zähne klapperten auf einmal wieder so stark, dass sie kaum sprechen konnte.
    Julie entzog Nicolas ihren Arm und lief zum Ladeneingang. Die Tür war nur angelehnt.
    »Was willst du da drin?«, fragte Nicolas.
    »Ich muss etwas holen«, sagte sie. »Etwas, das meinem Vater wichtig war.«
    Im Verkaufsraum war es dunkel, das vertraute Ticken der Uhren beruhigte Julie ein wenig. Alles schien unberührt. Es roch wie immer ein bisschen nach Schmieröl, und sie gab sich kurz der Vorstellung hin, hinter dem Vorhang würde noch ihr Vater an seinem Arbeitstisch unter dem Fenster sitzen. Doch es war niemand da – auch die Werkstatt war verlassen.
    »Ich muss die Zeichnung finden.«
    »Wovon redest du?« Nicolas war ihr gefolgt und zog den Vorhang wieder zu, damit man sie von der Straße aus nicht sehen konnte.
    »Sie ist wichtig, ich muss sie zu Plomion bringen.«
    »Wer soll das sein? Julie, wir dürfen nicht hierbleiben.«
    Aber sie ließ sich nicht beirren. In dem schwachen Licht, das durch das Fenster hereinfiel, befühlte sie die Papiere und Arbeitsutensilien, die auf dem Tisch verstreut lagen. Unter ihren Fingern spürte sie kleine Zahnräder und Federn, ein halb zusammengesetztes Uhrwerk, die kleinen Schraubenzieher und das Messinghämmerchen. Die Zeichnung war groß gewesen, aber hier gab es nur Zettel und die Fetzen, die Jacques immer für Notizen verwendet hatte.
    »Sie ist nicht da.« Ihre Hände fuhren wild über die Tischplatte und fegten unabsichtlich einen Teil der Werkzeuge auf den Boden.
    »Du musst dich beruhigen.« Nicolas legte eine Hand auf ihre

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