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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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vor dem Gatter ab und sah sich nach dem Eimer um, mit dem Zouzous Bottich nachgefüllt wurde. Doch Nicolas packte sie an den Oberarmen, drehte sie zu sich herum und schüttelte sie leicht.
    »Julie, komm zu dir! Wir können hier nicht bleiben, begreifst du das nicht?«
    »Erst muss Zouzou Wasser bekommen!«
    Julie weinte jetzt und versuchte, Nicolas zu treten und sich zu befreien. Weshalb ließ er nicht zu, dass sie sich um Zouzou kümmerte? Sie war immer für das jeweilige Schwein verantwortlich, es war die erste Aufgabe, die Gabrielle ihr übertragen hatte. Damals war sie fünf Jahre alt gewesen. Natürlich war es nicht Zouzou gewesen, sondern Mimi. Danach war Grosette gekommen. Julie schloss die Augen. Ihr war vollkommen klar, wie verrückt es war, was sie gerade tat, aber sie war machtlos dagegen. Wenn sie so tat, als wäre nichts geschehen, dann würde vielleicht alles wieder ins Lot kommen.
    Nicolas rief ihren Namen. Sie sah Hilflosigkeit und Ärger in seinem Gesicht miteinander ringen.
    »Reiß dich zusammen!« Er schüttelte sie erneut.
    Er hat recht, wir müssen fort! Songe strich an ihren Beinen entlang, und endlich kam Julie wieder zu sich. »Es tut mir leid«, murmelte sie.
    Nicolas zog sie mit sich über den Hof. Das Licht des Mondes formte scharfe Kanten zwischen Hell und Dunkel. Die Kerze hatten sie beim Schweinekoben vergessen, aber Nicolas kehrte nicht um.
    Da ist etwas , sagte Songe. Dort drüben im Unterstand.
    Julie erstarrte. Jetzt glaubte auch sie, ein leises Kratzen zu hören. Ein Lufthauch wehte sie an, kühl in der warmen Luft des Juliabends, und er trug einen fauligen Geruch mit sich. »Nicolas!«, flüsterte sie und zeigte in die Schatten auf der anderen Hofseite. Etwas bewegte sich dort.
    »An der Mauer entlang!«, wisperte Nicolas, und sie schoben sich mit dem Rücken zur Wand in Richtung Hintertür.
    Nun rumpelte es im Unterstand, wo Werkzeug, Fässer und kaputtes Hausgerät aufbewahrt wurden. Ein Holzeimer kollerte aus dem Dunkel auf die vom Mond beleuchtete Hofseite, dann fluchte jemand: »Rizinus und Mäuseköttel!«
    Wortlos stürzte sich Julie auf die Gestalt, die sich aus den Schatten löste und auf sie zutaumelte. Sie trafen sich in der Mitte des Hofes; Julie fiel Fédéric um den Hals – sie musste fühlen, dass er es wirklich war! Er roch nach Leder und Sägespänen, und der vertraute Geruch tröstete sie ein wenig.
    »Meine Eltern sind tot«, sagte sie tonlos.
    »Wie? Das kann doch nicht sein!« Fédéric drückte sie an sich.
    »Das können wir später besprechen, wir müssen hier verschwin den, bevor die Cherubim zurückkommen.« Nicolas ergriff Julies Hand und versuchte, sie von Fédéric wegzuziehen. Doch der hielt ihre Taille fest.
    Julie fühlte sich wie eine Puppe, um die sich zwei Kinder zanken.
    »Erst will ich wissen, was hier vorgeht«, sagte Fédéric.
    »Du verdammter Kretin, ihre Eltern sind abgeschlachtet worden, aber eigentlich haben sie es auf Julie abgesehen. Ich muss sie in Sicherheit bringen!«
    »Ich hab dich schon mal gesehen, Puderquaste. Du kannst dich verpissen, ab jetzt passe ich auf sie auf. Außerdem: Wovon faselst du da eigentlich?«
    »Von Wesen, die dich mühelos in Stücke reißen«, wiederholte Nicolas. »Und wenn du Dämlack Julie nicht loslässt, wird dir genau das passieren.«
    In diesem Moment rauschte es über ihren Köpfen, und als sie den Blick hoben, glitt ein Schemen, dunkler als die Nacht, vom Dach herab. Der Boden erzitterte, als der Schatten direkt vor ihnen aufsetzte.
    »Ach, du heilige Scheiße«, flüsterte Fédéric, ließ Julie los und stolperte rückwärts.
    Das Ungeheuer hatte eine menschliche Gestalt, doch seine Haut glänzte wie polierter Obsidian. Auf seinem Körper saß der haarlose Schädel eines Hundes mit aufgestellten Ohren.
    Julie wollte wegsehen, aber sie fürchtete sich zu sehr, um die Augen zu schließen.
    »Wenn man vom Cherub spricht …«, sagte Nicolas.
    Das Wesen breitete seine ledrigen, fledermausähnlichen Flügel aus, bis sie beinahe den gesamten Hof ausfüllten. Seine zurückgezogenen Lefzen entblößten ein scharfes Gebiss, und es knurrte leise. Während es näher kam, gruben seine Klauen tiefe Furchen in die festgestampfte Erde.
    Julie ging langsam rückwärts, bis sie Fédéric neben sich fühlte. Nicolas indes tat etwas völlig Unerwartetes. Er blieb stehen und streckte dem Cherub seine Hand entgegen.
    Julie traute ihren Augen nicht, als das Ungeheuer tatsächlich innehielt, seine Zunge aus dem Maul

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