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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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Boden.
    Songe, hilf ihm!
    Julie schlug gegen die Kiste vor Verzweiflung, weil sie ihm nicht helfen konnte. Die Katze verschwand im Schatten, während Dazaar auf dem Hof Anstalten machte, sich auf den reglosen Fédéric zu stürzen. In diesem Augenblick krachte jedoch Zouzous Stall zusammen, ein Funkenregen stob auf, und der Cherub wich zurück. Nicolas sprang vor, hob Fédérics behelfsmäßige Fackel vom Boden auf und schlug damit auf den Rücken des Ungeheuers ein.
    Julie biss sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. Gleich würde mit Nicolas das Gleiche geschehen wie mit Fédéric! Dieser bewegte sich noch immer nicht und lag gefährlich nah am Feuer. Das Haar hing ihm ins Gesicht, sein Hals wirkte verdreht. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Nicht er, dachte sie, während ein Wimmern aus ihrer Kehle drang. Bitte nicht auch noch Fédéric!
    Dazaar drehte sich zu Nicolas um und fauchte die Fackel an, die dieser ihm ins Gesicht zu stoßen versuchte. Gerade als er sich auf den jungen Adligen stürzen wollte, flog etwas Weißes durch die Dunkelheit und landete auf dem Rücken des Ungeheuers. Songe!
    Die Katze kletterte an dem Cherub empor wie an einem Baum und krallte sich in seine Schnauze. Er kreischte schrill, schlug mit den Flügeln und versuchte vergeblich, sie abzuschütteln. Immer noch kreischend stieg er in die Luft, dann verschwand er aus Julies Blickfeld, während Songe sich noch immer an ihn klammerte.
    Julie schloss verzweifelt die Augen. Ihre Eltern waren tot, Fédéric wahrscheinlich auch, und ihre Gefährtin würde von dem Cherub in Stücke gerissen oder in die Tiefe geschleudert werden. Sie hörte, dass Nicolas nach ihr rief. »Hier hinten!«, antwortete sie schwach, und gleich darauf kniete er neben ihr.
    »Bist du verletzt?« Er beugte sich über sie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
    Julie schüttelte den Kopf. »Nur müde«, flüsterte sie. »Das blaue Licht.«
    »Sehr wirkungsvoll, du hast mir damit das Leben gerettet.« Nicolas lächelte leicht. »Wenn du laufen kannst, lass uns verschwinden. Dazaar wird nicht alleine sein, wenn er zurückkommt.«
    Er half Julie auf und stützte sie. Langsam verließ sie an Nicolas’ Seite ihr Versteck.
    »Fédéric?«, fragte sie kaum hörbar.
    Nicolas schüttelte den Kopf: »Er ist tot. Es tut mir leid.«
    Sie schluchzte trocken auf und warf einen letzten Blick auf Fédérics verdrehten Körper. Sie wollte zu ihm, aber Nicolas hinderte sie daran.
    »Uns bleibt keine Zeit«, sagte er und führte sie durch den Hintereingang ins Haus und durch den Korridor auf die Straße. Dort war es still, niemand war mehr zu sehen, auch die Feuer auf der Straße waren erloschen.
    »Ich kenne einen Ort, wo uns keiner suchen wird. Du kannst mir vertrauen.« Mit diesen Worten umfing Nicolas Julies Taille und zog sie noch enger an sich, um sie zu stützen. Passanten würden sie für ein gewöhnliches Liebespaar halten.
    Julie ließ sich durch das nächtliche Paris leiten wie eine Blinde. Nicolas mied die Boulevards, wählte Schleichwege, enge Gassen, schmale Brücken, unbeleuchtete Durchgänge, und immer wieder sah er nach oben, als drohte ihnen von dort Gefahr. Julie war es gleichgültig, wohin sie gingen und ob sie dort ankamen. Ihr ganzer Körper war taub, innerlich wiederholte sie stetig dasselbe Wort: sinnlos . Es kreiste in ihrem Kopf wie eine Motte, die um eine Lampe flattert.
    So nahm sie auch kaum wahr, als sie am Jardin du Luxembourg schließlich doch ins Gedränge gerieten. Auf einmal waren überall Menschen um sie herum. Sie tanzten, tranken, schwenkten Messer und Spieße, lachten und riefen »Ein Hoch auf die Bürgermiliz!« und »Nieder mit dem Adel!«
    Nicolas steuerte sie sicher durch das Gewühl, doch erst nachdem sie die Rue d’Enfer hinter sich gebracht hatten, wurde es wieder ruhiger, wenn auch noch immer kleinere Rotten durch die Straßen zogen und grölend in die Luft schossen.
    Julie war noch nie in St. Germain gewesen. Hier erhoben sich hinter Mauern und prunkvollen Eisentoren die Stadtpaläste der Adeligen, die dunkel und still dalagen, als wären sie verlassen. Vor einer dieser hohen Mauern blieb Nicolas stehen. Von unten waren nur die oberen Etagen eines Palais mit weißer Marmorverkleidung zu sehen. Alles war dunkel, nur im Dachgeschoss flackerte in einigen Fenstern Licht.
    Nicolas führte Julie am Haupttor vorbei zu einem unauffälligen Seiteneingang und öffnete ihn mit einem Schlüssel, den er bei sich trug. »Dieser Durchgang führt

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