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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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vergehen.

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    UnterwegsnachRennes,Juli 1789
    I ch kann keine Bäume mehr sehen.« Fédéric trat gegen einen Astam Boden. »Ich bin Straßen, Häuser und Menschengewühl gewöhnt, nicht Wald und Wiesen. Hier gibt es nicht einmal eine Hütte, von Menschen ganz zu schweigen. Stattdessen: Grün, wohin man blickt. Und die Stille ist nicht zum Aushalten.«
    »Wir müssen wohl sehen, dass wir hier herauskommen, bevor du dem Wahnsinn anheimfällst«, spottete Nicolas.
    Julie war überrascht, dass Nicolas ihre Lage förmlich zu genießen schien. Obwohl sie Paris vor vier Tagen verlassen hatten, benahm er sich, als befände er sich in einem eleganten Salon, plauderte geistreich, während er Julie über Felsen und Gräben half, und gab Anek doten zum Besten. Hinter seinem Rücken verdrehte Fédéric die Augen, aber Julie fand, dass Nicolas zumindest die Stimmung aufhellte. Sie mochte seine scheinbare Sorglosigkeit, und inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass sie nur Fassade war. Der Abend, als er sie vor dem Cherub gerettet hatte, hatte bewiesen, dass er nicht der weltfremde Adlige war, als der er sich gerne ausgab.
    Ruben war nach wie vor schweigsam und in sich gekehrt, und Julie fragte sich, was in ihm vorging. Seit seinem missglückten Eierdiebstahl widersprach er wenigstens nicht mehr ständig und ließ sie die Entscheidungen treffen.
    Ohne Absprache war sie zur Anführerin ihrer Mission erkoren worden, und ihre Gefährten schienen zu glauben, dass Julie wuss te, was sie tat. Doch ihr einziger Plan war St. Malo zu erreichen und jenen geheimnisvollen Plomion zu finden. Hoffentlich war er wirklich bereit, ihnen zu helfen. Julie dachte grimmig, dass sie dieser Sorge enthoben würden, falls sie unterwegs verhungerten, was noch immer möglich schien. Doch der Zufall bot ihnen eine Lösung ihrer Probleme, als sie nach vier Tagen aus einem Wald heraustraten und auf einer nahen Wiese eine Ansammlung von Zelten erblickten.
    Von Ferne sah sie aus wie das Heerlager einer Narrenarmee: bunte Wagen und Zelte, mit Flitter und leuchtenden Bändern geschmückt. Als Julie und ihre Freunde näher kamen, kitzelte der Geruch von Suppe und Holzfeuern ihre Nasen. Menschen liefen zwischen den Zelten hin und her, irgendwo erklang eine Fidel, dazu Schellengeklimper und ein schrilles Frauenlachen. Zwischen zwei Holzgestelle hatte man ein Seil gespannt, auf dem ein zierliches Mädchen in einem glitzernden Kostüm Sprünge und Pirouetten vollführte. Etwas weiter entfernt jonglierte ein junger Mann mit bunt bemalten Holzkugeln, und neben ihm bog sich eine Frau so weit nach hinten, bis sie den Kopf durch die Beine stecken konnte. Sie lächelte und zwinkerte Nicolas zu.
    »Schausteller. Wenn wir hier Arbeit finden, haben wir die ideale Tarnung«, flüsterte Julie. »Hoffentlich reisen sie in unsere Richtung«, sagte Ruben.
    Unwillkürlich rückten sie näher zusammen, als ein verwegen aussehender Kerl auf sie zukam. Er trug ein weites Leinenhemd, dazu lange Hosen aus Leder und grobe Stiefel, mit denen er selbstbewusst ausschritt. Fédéric und Nicolas versuchten gleichzeitig, sich schützend vor Julie zu stellen, rempelten sich dabei gegenseitig an und rangelten noch, als der Mann vor ihnen stehen blieb. Schweigend musterte er sie von Kopf bis Fuß. Mit der Linken strich er sich über den grauen Kinnbart, in seiner Rechten, die er locker vor dem Körper hielt, bemerkte Julie mehrere Messer.
    »Was für eine glückliche Dame, die gleich über zwei edle Ritter gebietet«, sagte er spöttisch. »Habt keine Furcht, ich beiße nicht.«
    Als er Fédérics Blick bemerkte, der auf den Klingen ruhte, hob er die Hand, und schneller, als das Auge folgen konnte, flogen die drei Messer durch die Luft und bohrten sich beinahe gleichzeitig in die Seitenwand eines blauen Karrens, der zwanzig Schritte entfernt stand.
    »Javier Alvarez García, der Stolz Spaniens, bester Messerwerfer nördlich des Äquators und wahrscheinlich auch südlich davon.« Er verneigte sich knapp und zeigte sein Gebiss, in dem mehrere Goldzähne blitzten. »Kann ich euch behilflich sein?«
    Julie schob Fédéric und Nicolas zur Seite und trat vor. »In welche Richtung zieht ihr?«
    »Nach Westen. Eure Richtung?«
    Julie nickte. »Ja, und wir suchen Arbeit«, sagte sie. »Gleichgültig, was. Könnt Ihr uns helfen?«
    García trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. »Ein hübsches Mädchen findet immer Arbeit.«
    »So habe ich es nicht gemeint.« Julie starrte den

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