Die Prophezeiung von Umbria
gewaschen hast, damals, in Windleford. Erinnerst du dich?”
Vielleicht erinnerte sie sich nicht, aber das machte nichts. Er erinnerte sich an alles. Auch daran, wie er im Spaß gedroht hatte, sie zu küssen.
Er küsste sie mit all der Zärtlichkeit, die er seitdem für sie empfand, auf die Stirn. “Komm zurück, Maura. Bitte. Umbria braucht dich.
Ich
brauche dich, auch wenn du niemals mein sein wirst.”
Der Kahn schoss weiter den Fluss hinunter und über gefährliche Stromschnellen hinweg. Doch Maura lag kalt und still in seinen Armen. Rath war sich sicher, dass sie zu ihm zurückkommen würde, wenn sie es könnte.
Er hatte nur noch eine Hoffnung, wie er sie zurückholen konnte.
“Allgeber …”
Rath wählte für seine Bitte die umbrische Sprache, denn er fürchtete, mit seinen schlechten Kenntnissen in
Twara
nicht die richtigen Worte zu finden. Ein Geist, der so mächtig war, das ganze Universum zu erschaffen, würde ihn sicher verstehen.
“… auch wenn ich nicht das Recht habe, dich um solch eine Gnade zu bitten, da ich erst so spät zu dir gefunden habe. Ich habe in meinem Leben vieles getan, das gegen deine Gebote verstößt. Ich wünschte, ich könnte das ändern, aber ich kann es nicht.”
Mit einem Mal fühlte er durch das Brausen des Wassers hindurch die Macht des Allgebers. Im kühlenden Windhauch spürte er seine Gnade. Er kam sich klein und unbedeutend vor und seltsamerweise doch auch wieder wichtig. So, als wäre er und das, was er wollte, wirklich von Bedeutung.
“Ganz gleich … ich erbitte nichts für mich … zumindest … nur teilweise. Ich meine … Maura
ist
die Auserkorene Königin. Du hast da eine gute Wahl getroffen, wenn du mich fragst. Aber wie soll sie denn deinen Auftrag erfüllen, wenn sie weder gehen noch sprechen kann? In der Vergangenheit hast du uns ein paar Mal aus kniffligen Situationen rausgeholt. Du wirst uns doch jetzt nicht im Stich lassen, so kurz vor dem Ziel?”
Der Fluss brüllte immer noch, und der Wind wehte, aber Rath konnte keine Antwort des Allgebers vernehmen. Vielleicht hatte er sich nicht klar genug ausgedrückt?
“Ich bin dir dankbar für das, was du mir gegeben hast, und ich schwöre dir, von nun an werde ich anderen geben, so wie mir gegeben wurde. Und ich werde an deine Vorhersehung glauben. Nur befreie bitte ihren Geist, wo immer er gefangen ist.”
Mit angehaltenem Atem wartete Rath darauf, dass Maura die Augen öffnete. Doch nichts geschah. Sie lag in seinen Armen und ihre seelenlose Schönheit schien ihn zu verspotten.
26. KAPITEL
R ath war über seine tiefe Enttäuschung überrascht. Er hatte an eine höhere Macht glauben wollen. Mit einem Mal schoss ihm ein äußerst eigenartiger Gedanke durch den Kopf. Er hatte das verwirrende Gefühl, dass es gar nicht sein Gedanke war, sondern dass er von irgendwoher zu ihm kam.
Suche meine Macht in dir selbst, Elzaban.
Rath verzog das Gesicht beim Gedanken an seinen früheren lächerlichen Namen. Wie viel Spott und Prügel hatte er ertragen müssen, bevor er auf die kluge Idee gekommen war, sich einen weniger hochtrabenden Namen zu geben.
Es blieb ihm nicht viel Zeit, seinen bitteren Erinnerungen nachzuhängen. Vor ihm tauchte eines der kleinen hanischen Schiffe auf, die Lastkähne zogen.
Verdammt! Er hatte nicht gewusst, dass die Schlepper auch so weit entfernt von der Mündung eines Flusses verkehrten.
Rath konnte sich keinen Plan mehr zurechtzulegen. Wenn er nicht sofort handelte, würde die Strömung ihn und Maura zu dem wartenden Schiff tragen.
Die Wirkung der winzigen Prise Lebensblatt begann immer schneller nachzulassen. Mit letzter Kraft hob er Maura über den Rand des Kahns. Dann schob er seinen Arm unter ihren Gurt, um sie nicht zu verlieren, und stürzte sich mit ihr in den Fluss.
Das Wasser umfing sie wie eine kalte Umarmung. Rath kämpfte sich an die Oberfläche zurück. Seine Kraft reichte gerade noch aus, Mauras Kopf über Wasser zu halten. Erschöpft ließ er sich in der Strömung treiben.
Plötzlich ragten vor ihnen die Reste eines alten Baumes auf, der ins Wasser gefallen war. Einige seiner Wurzeln waren immer noch mit dem Ufer verankert.
Sich an einem hervorstehenden Ast festhaltend, zog Rath sich langsam ans Ufer und zerrte auch Maura ins flache Wasser. Dort brach er dann zusammen und blieb im warmen Schlamm liegen, bis er sich so weit erholt hatte, dass er Maura in den Schutz eines kleinen Dickichts nahe dem Ufer tragen konnte.
Er legte ihr die Finger auf den Hals und
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