Die Prophezeiung von Umbria
Wahrheit sprach. Und doch zögerte er immer noch.
Plötzlich war ein wildes Bellen und Jaulen durch den Kampflärm zu erhören.
“Verdammt!”, stieß Anulf hervor. “Sie haben die Hunde losgelassen.”
Rath sprang sofort auf die Füße. “Zeig mir den Weg zu den Booten.”
Sie hatte verloren. Sie hatte versagt.
Das Gefühl, alles verloren zu haben, quälte Maura in der dunklen, entsetzlichen Leere, in die sie gestürzt war. Es raubte ihr fast den Verstand.
War sie tot? Wenn sie es war, dann hatte weder Rath noch irgendeiner der
Twarith
überlebt, um sie mit dem Ritual des Hinübergehens ins Jenseits zu geleiten. Sie würde für immer verloren sein.
Eine innere Stimme sagte ihr, dass sie einen gewissen Frieden im Vergessen finden würde. Sie musste sich nur der Dunkelheit überlassen. Früher oder später würde es so kommen. Dagegen anzukämpfen verlängerte nur ihre Pein.
Niemand konnte ihr jetzt mehr helfen.
Und vielleicht war genau das der Grund, warum sie kämpfen
musste.
Von Anfang an hatte sie sich ihrem Schicksal nicht gewachsen gefühlt. Immer hatte sie Hilfe gebraucht – von Langbard, von den
Twarith
und besonders von Rath. Doch sie hatte ihm und anderen auch geholfen.
Allein hatte sie der bösen Macht und Versuchung des Echtroi gegenübergestanden und hatte gesiegt. Sie würde jetzt nicht aufgeben. Sie würde weiter kämpfen – bis sie wieder zu sich selbst gefunden hätte oder ihre Kräfte erschöpft wären.
Sie prüfte ihre Waffen, die ihr für diesen Kampf zur Verfügung standen. Die Weisheit, die Langbard ihr mitgegeben hatte. Exildas Opfer. Erinnerungen an all die Menschen, mit denen sie sich verbunden fühlte. Zärtliche Gedanken an Rath und an das, was er ihr bedeutete. Wenn sie jetzt aufgab, würde er seinen gerade aufblühenden Glauben wieder verlieren.
Sie dachte auch an den Wartenden König. Nicht wie an die mystische Figur einer Legende, sondern wie an einen wirklichen Menschen. Vielleicht war er seit Tausenden von Jahren in der gleichen finsteren Leere gefangen. Wenn sie für sich einen Weg aus dieser Leere finden konnte, konnte sie ihm vielleicht helfen, seinen Weg zu finden, wenn die Zeit gekommen war.
Während Maura ihren Geist mit all diesen Gedanken wappnete, begann die Last, die sie niederdrückte, leichter zu werden. Aus großer Entfernung hörte sie das Rauschen von Wasser und das Flüstern einer Stimme.
Wenn sie die Worte auch nicht verstehen konnte, lauschte sie ihnen.
Das Brüllen des Flusses war ohrenbetäubend. Rath versuchte, Maura vor dem kalten Wasser zu schützen, das über sie spritzte, wenn der Bug des Kahns tief in die Wellen tauchte. Fast hoffte er, eine kalte Dusche würde sie aus ihrer Bewusstlosigkeit aufwecken.
Zitternd und Wasser spuckend kauerte er in seinen durchweichten Kleidern da und wünschte sich fast in die hanische Rüstung zurück. Doch Maura regte und rührte sich nicht. Sie zuckte nicht einmal mit den Lidern.
Ohne seine übliche schwere Ladung tanzte der Lastkahn in der wilden, reißenden Strömung.
“Du solltest einmal für einen Moment die Augen öffnen, Maura. Die Bäume rasen so schnell vorbei, dass mir fast schwindlig wird.”
Seit Anulf den Kahnwächter erschlagen und das Boot mit ihnen beiden drinnen dem Fluss übergeben hatte, sprach Rath zu Maura. Er bezweifelte, dass sie ihn hören konnte. Aber vielleicht tat sie es doch. Deswegen sprach er in einem fort. Außerdem lenkte es ihn von seinem leeren Magen und von seiner Angst ab.
“Hier fließt jetzt ein anderer Fluss in diesen hier, Maura. Vermutlich gibt es noch ein anderes Bergwerk an seinem Oberlauf. Wenn du den Wartenden König gefunden hast, wird das hoffentlich eine seiner ersten Taten sein – all die Bergleute zu befreien. Ich denke, du wirst schon einen Weg finden, sie vom Slag zu erlösen. Ihr werdet euch gut ergänzen – er wird die Han bekämpfen und du wirst die Menschen von all dem Bösen heilen, das die Han ihnen angetan haben.”
Der Kahn schwankte wieder heftig, und erneut klatschte eine Welle auf sie nieder. Rath wischte mit seinem Ärmel vorsichtig die Wassertropfen fort, die wie Tränen über Mauras Gesicht rannen.
Er schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lachen, das aber eher wie ein Schluchzen klang. “Jetzt bist du wohl zufrieden. Mein Haar wird schon wieder gewaschen. Ich bin froh, endlich den verdammten Staub des Bergwerks los zu sein. Schade nur, dass ich keine so gut riechenden Kräuter habe wie die, mit denen du mir die Haare
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